7132920-1997_34_15.jpg
Digital In Arbeit

Ein Gelsen-Don-Juan

Werbung
Werbung
Werbung

Srrrr, srrrr! Klatsch, klatsch! Srrrr! Danebengetroffen. Die Beule schwillt, rötet sich und juckt. Die zartgeflügelten Kampfgeschwader des Sommers landen im Dauerangriff ihre Treffer, blutsaugend, fluchauslösend. Ein Betroffener in seiner Mühsal schreibt sich hier den Ärger aus der Seele.

Die ersten beiden wissenschaftlichen Informationen lindern zwar nicht den Juckreiz, befriedigen aber wenigstens den Wunsch nach Einsicht in die Ursachen. Die infolge der reichlichen Niederschläge entstandenen Pfützen und Überflutungen haben ein ideales Biotop für die Larven dieser blutsaugenden Quälgeister erzeugt. Die Nachwuchsproduktion, deren Mangel bei manch anderem Lebewesen ein Problem ist und zu aussterbenden Arten führt, ist bei diesen Insekten ganz enorm.

Zweitens erfahre ich, daß es die Weibchen sind, die ihren Saugstachel so blutgierig betätigen. Antifeministi -sehe Schlußfolgerungen daraus zu ziehen, halte ich als Angehöriger eines in die Defensive gedrängten Geschlechts für vermessen. Vielmehr könnte man sich als Mann ja ob so viel Anziehungskraft auf weibliche Wesen geschmeichelt fühlen.

Mit dem Schicksal hadernd darüber, daß ausgerechnet ich ein bevorzugtes Opfer bin, erfahre ich neuerdings von amerikanischen Forschern, welche Art Menschen mit welchen spezifischen Düften die erlesene Zielgruppe der geflügelten Blutsauerinnen sind. Es seien, so die Mikro-Bio-logen, nämlich die sexuellen Lock-und Reizstoffe, die auf die Insekten-Amazonen so besonders anziehend wirken. Welche geknickte Männer-Psyche baut das nicht mächtig auf! Das Rewußtsein eines Gelsen-Don-Juans ist freilich durch den Vergleich mit der zwischenmenschlichen Wirklichkeit etwas getrübt. Der zerbeulte Potenzprotz erscheint als tragikomische Figur.

Es gilt nach so viel Ursachenforschung zum praktischen Teil der Bekämpfung überzugehen. Die urzeitlich-praktische Fliegenklappe als technische Verlängerung der klatschenden Handfläche befriedigt wenigstens den Rachegedanken. Denn jede erlegte Beute verringert zumindest die saugende Population. Gefährlich ist dabei der Ausbrach eines gewissen Jagdfiebers mit der Folge von eigener und mitmenschlicher Verletzungsgefahr. Am Ende hat man mehr geschlagene als gestochene Beulen.

In einem Laden für Jagdzubehör und Waffen, in welchem der Geschäftsgang nach dem neuesten österreichischen Waffengesetz eher flau war, erstand ich einen wohlfeilen batteriebetriebenen Apparat. Er erzeugt ein sirrendes Geräusch auf einer Frequenz, die die Gelsen nicht mögen. Das Geräusch ist auf die Dauer nervtötend. Die Wissenschaft hat aber mittlerweile herausgefunden, daß ausgerechnet die Insekten-Männchen das Programm dieses Senders nicht schätzen. Die Weibchen sind da nicht so wählerisch und stechen munter weiter.

Also doch Gift! In Salben und Tinkturen, am besten in Sprays.

Zisch, zisch! Wirkt am besten in geschlossenen Räumen und sollte nicht eingeatmet werden. Wie verwandle ich Radestrand oder Waldwiese in geschlossene Räume? Hautcremes oder Tinkturen zur Abwehr helfen nur, wenn sie so gehörig stinken, daß mir der ganze Insekten-Sex-Appeal vergeht.

Bleibt nur ein Moskito-Netz über den ganzen Körper ziehen und in dieser einigermaßen gespenstischen Aufmachung im Gelände zu erscheinen. Die Kommunikation mit der Umwelt ist freilich eingeschränkt.

Derzeit sitze ich bei geschlossenen Fenstern im halbdunklen, heißen Zimmer und denke schadenfroh an die Gelsen-Weibchen, die ihre begehrte Blutquelle nicht erreichen. Jede Jahreszeit hat eben auch ihre bestimmten Schwierigkeiten. Zwar habe ich Vorbehalte gegen die Gentechnik, aber wenn es den Forschern gelänge, diesen Biestern ein Anti-Stech-und-Saug-Gen einzupflanzen, nähme ich sogar die Genehmigung der EU in Kauf.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung