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10 Jahre „ Universum”

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Zehn Jahre „Universum”! Selbst Leute, die sonst kaum etwas von dem, was über die Bildschirme flimmert, gelten lassen, sehen die Tiersendung und gönnen ihr den Erfolg. „Universum” hat mit einer Million Zuschauer nicht nur eine gewaltige Breitenwirkung, sondern darf sich auch einer einzigartigen Akzeptanz bei einem Publikum mit kulturellen Ansprüchen erfreuen. Mit dem Universum-Jahrbuch, das im Styria-Verlag soeben zum zweiten Mal erschien, gibt es „Universum” nun auch für Leser. Hier hat das für einen bestimmten Magazin-Typ geprägte Wort vom gedruckten Fernsehen positive Bedeutung.

Es ist ein Naturbuch im besten Sinne, mit seinen 230 Farbbildern schon beim Durchblättern eine Freude. Man liest es vom Anfang bis zum Ende mit Genuß und Gewinn, kann aber auch bei einem Bild hängenbleiben und lesen - etwa über den Otter, daß sein Fell mit 100.000 Haaren pro Quadratzentimeter hundertmal dichter ist als der schäbige Rest von Fell auf unserem Kopf und wie er sich anstrengen muß, um genug Fische zu erwischen. Täglich ein Viertel seines Körpergewichts! Gut gesagt: „Jede Mahlzeit, die er erbeutet, liefert gerade genug Energie für die nächste Jagd.” Hätten die Bände ein Register, könnte man sie als Nachschlagewerk nutzen. Falls sich Verlag und ORF entschließen können, das Versäumnis nachzuholen, sollte der Inhalt der ersten beiden Bände einbezogen werden. So mancher würde sie dann wohl nachkaufen.

„Universum” verdankt seinen Erfolg dem Natur-Manko in der Industriegesellschaft. Dabei hat „Universum ”Sehen auch den Charakter einer Ersatzhandlung, und zwar in einem positiven Sinn. Die Sendung bietet häufig Einblick in Biotope, denen, wegen ihrer Empfindlichkeit, der Zivilisationsmensch fernbleiben sollte. Man kann nur hoffen, daß diese Befriedigung legitimer Neugierde stärker ist als der Anreiz, nun erst recht auch in natura zu sehen, was auf dem Bildschirm so faszinierend wirkt.

Leider wächst ja die Zahl jener, welche dies nicht nur nicht lassen, sondern sich auch leisten können. Stichworte: Abenteuerurlaub, Extremurlaub, Bisikotourismus. „Gefährliche Wildnis” von Richard Matthews, erschienen im Münchner Verlag Knesebeck, ergänzt das „Uni-versum”-Jahrbuch. Dieses enthält zwar ebenfalls Warnungen für jeden, der meint, im Urlaub Crocodile-Dun-dee spielen zu können. „Gefährliche Wildnis”, ebenfalls durchgehend farbig bebildert, macht aber die Gefahren, mit denen man in uns unvertrauten Lehensräumen rechnen muß, zum zentralen Thema. Selbst das Zelten am Strand und Braten selbstgefangener Fische kann tödlich enden, wenn man, wie Philip Cartledge und Joselyn Jones, jenen leider nicht immer aufgeblasenen und dadurch kenntlichen Kugelfisch erwischt, der in Japan gerne, aber nur in Spezialre-staurants gegessen wird, deren Köche das richtige Entfernen der giftigen Organe beherrschen. Trotzdem kommt es immer wieder zu Unfällen. Wer von denen, die in steigender Zahl zu den Bade- und Tauchparadiesen des Indischen und Pazifischen Ozeans aufbrechen, weiß schon, daß Seeschlangen wahrscheinlich mehr Menschen töten als alle anderen Tiere zusammen? Und dies trotz ihrer Scheu und geringen Angriffslust, und obwohl nur ganz wenige unter den vielen Arten giftig sind? Viktor Klima hatte also noch Glück, als er kürzlich in Süd-ostasien nur an einen Seeigel geriet und mit einem dicken Verband am Finger von seinem Tauchurlaub heimkehrte.

Leicht überspitzt kann man sagen: „Universum” gibt der Liebe zu den Tieren Nahrung, „Gefährliche Wildnis” zeigt dem einzelnen Menschen die praktischen Grenzen. „Universum” leistet dabei auch hervorragende Öffentlichkeitsarbeit für den Artenschutz, indem gezeigt wird, wie schnell die Verkleinerung ihrer Lebensräume Tierarten in Gefahr bringt. Welche Katastrophe die derzeit wütenden Waldbrände in Südostasien für die Orang Utans bedeuten, wird uns vielleicht eine spätere „Universum”-Folge und das ihr folgende Jahrbuch erzählen. Hoffentlich noch rechtzeitig für rigorose Schutzmaßnahmen, die nur durch politischen und von Konsumenten ausgeübten Druck erzwungen werden könnten: Potentaten, von deren Ver-bandelung mit den Waldvernichtern man munkelt, zählen gewiß nicht zu den „Universum”-Sehem.

Aber auch in demokratisch regierten Ländern ist die Bettung vieler Arten ein Rennen gegen die Zeit: 60 Hektar groß ist das Revier des „Königs der Koalas”, was zwar men-schelnd, aber dafür eingängig gesagt ist. Durch die Siedlungstätigkeit wird der Lebensraum der Koalas immer mehr eingeengt, den point of no return kennt niemand. Das Koala-Kapitel zählt zu den schönsten und, mit einem außer Kurs geratenen Wort, lehrreichsten im „Universum”-Buch.

„Gefährliche Wildnis” schlägt in dieselbe Kerbe - beispielsweise mit dem Bericht über die Folgen der Waldvernichtung in Brasilien für die Fledermäuse, aber auch für die Menschen: In Bahia wurden Hunderte von Fledermäusen angegriffen, die ihren Lebensraum verloren hatten und auf der Suche nach Nahrung sogar nachts in die Häuser eindrangen. Matthews differenziert zwischen Tieren mit unverdient schlechtem Buf (wie dem Wolf) und solchen, die tatsächlich außerordentlich gefährlich sind und denen man aus dem Weg geht, wie Haien oder Krokodilen. Immer mehr Menschen leben aus beruflichen Gründen zeitweise in tropischen oder subtropischen Gefilden - sie finden in diesem Buch eine Fülle wertvoller Informationen, von den Taranteln und gefährlichen Trichterspinnen über afrikanische „Mörderbienen” (eine Frau überlebte einen Überfall mit tausend Stichen!) und über den besser vorsichtigen Umgang europäischer Touristen mit kanadischen Bären bis hin zu den Kakerlaken, die neuerdings unter schwerem Verdacht als Krankheitsüberträger stehen.

Beide Bücher sind unbedingt le-sens-, schauens- und empfehlenswert.

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