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Gaben und Geschenke

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Der aufmerksame Beobachter, der in diesen Tagen um Weihnachten durch Wiens Straßen geht, kann es nicht übersehen: die geschmackvolle Schaustellung in vielen, in immer mehr Auslagen von Geschäften, Warenhäusern, Verkaufsläden. Nicht nur was. gut und teuer, was noch besserer und noch teuerer ist, gibt es da also zu seheft, sondern auch: was geschmackvoll, ja nicht ganz selten, was schön ist.' Neben dem Können des Ar rangierens und der Macht des Materials, das oft an sich bereits so eigentümlich zu faszinieren verhiag, und keineswegs nur bei Juwelieren, tritt sachte und nicht zu selten in den Vordergrund die Kunst, Qualitäten eindrucksvoll abzustimmen und Diskretion zu üben, mitten im Glanz, in der Werbung, die ja die Kauflust durch Augenfreude wecken will.

In diesem Zusammenhang fällt nun eines auf: die nicht unpassende Placierung von alten Gemälden, Skulpturen, Dingen des Kunsthandwerks vergangener Epochen, die mit dem Weihnachtsereignis Zusammenhängen, im Rahmen der käuflichen Dinge. Gewiß gibt es auch heute noch „Christkindln", Weihnachtsmänner, Feen und Efigfel- puttėn, etwa um Bratgänse, zierlich im Silberpapier und Wollhaar, die noch an die brutale Geschäftsgier der Gfü&dür- zeit und eines kolonialen Imperialismus erinnern, der Evangelium und Kattun den Eingeborenen, dem Mann von der Straße verkaufte. Das aber tritt dodi sichtlich zurück. Ein kleines altes Bild, mit den Heiligen Drei Königen, zwei Barockengel, ln geziemendem Abstand von den Stoffen, die Nachbildung einer gotischen Heiligenstatue, die Gaben darbringt — solche Embleme tauchen nicht selten im festlichen Rahmen der Schaufenster auf. Ein gewisser Spiritualismus kann auch hier Anstoß nehmen: und von einer Profanierung des Heiligen sprechen. Er muß dann aber notgedrungen auch die Krippe verwerfen und vergißt: unser „bürgerliches“, oft noch allzu bürgerliches Weihnachten, in dem mancher über den Geschenken für seine Liebsten der Gaben vergißt, die er seinem Nächsten schuldet, ist in all seiner glänzenden Misere doch noch ein oft letztes Abbild der Hohen Stunde, in der dem Menschen die höchste und wertvollste Gabe zuteil wurde: Gott selbst. Die geringsten und die prunksüchtigsten Geschenke der Menschen sind, in ihrem reichen, in ihrem armen Glanze, noch Abbild dieser einen Gabe. Von wem hätten die Menschen auch das Schenken gelernt, wenn nicht von diesem Gotte, der sich seihst geschenkt hat und gleich darauf die Geschenke Gold, Weihrauch und Myrrhe von Menschen annimmt: Preis, Dank und

Leid, die wir alle ihm antun in fast jeder Stunde unseres Lebens. Alle Geschenke haben ihre Kräft und ihren letzten Sinn von dieser Einen Gabe, auch wenn sie dies oft nicht mehr wissen — sinnvoll ist's so für den Sehenden, wenn sie deren Zeichen mahnend, Vergessend Urb- stehen, ln den Schäüläden Wiens, zur Weihnacht 1952.

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