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Blauer Himmel

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Es ist wieder ein amerikanischer Film, den ein englischer Regisseur gedreht hat, und sicher wurde Guy Green, dessen „Zorniges Schweigen“ auch in Amerika ein beachtlicher Erfolg war, aus einem ganz bestimmten Grund für diese Regiearbeit herangezogen. „Ein Streifen blauer Himmel“, ist nämlich ein typisch amerikanischer Film, angefüllt mit brennenden Problemen dieses großen Landes, die vielleicht ein Europäer klarer zu sehen vermag als ein US-Bürger, dem leicht die notwendige Distanz zu diesem ganzen Komplex abhanden kommen kann. An sich ist es eine recht melodramatische Geschichte mit viel Sentiment, in der ein blindes Mädchen aus einem entsetzlich tristen Milieu durch die Begegnung mit einem Journalisten schwarzer Hautfarbe zu neuem Lebensmut geführt wird. Die Mutter, eine haltlose, ordinäre Schlampe, wehrt sich heftig, denn sie will das Mädchen als willfährige Sklavin nicht verlieren, aber der Neger setzt schließlich durch, daß Selina eine Blindenschule besuchen kann. Diesmal wind das Rassenproblem Amerikas von der anderen Seite beleuchtet. Nicht der Neger ist das gesellschaftlich minderwertige Geschöpf, sondern die Weißen, während der Neger ein intelligenter junger Journalist ist, trotzdem aber genau weiß, daß zwischen den beiden Hautfarben immer noch scharfe Trennungslinien gezogen sind. Aber die Weißen haben auch nicht immer Grund, sich besser und wertvoller zu fühlen. Vielleicht konnte gerade der Europäer Guy Green dieses Problem objektiver betrachten als etwa ein amerikanischer „weißer“ Regisseur dazu in der Lage gewesen wäre. Wenn auch Shelley Winters als ab- gewraektes Matrosenliebchen mit einer geradezu beängstigenden Echtheit spielt und verdienterweise dafür mit einem „Oscar“ für die beste Nebenrolle ausgezeichnet wurde, hinterläßt doch der prachtvolle Sid- ney Poitier als junger Neger, der von selbstlos helfender Menschlichkeit und Nächstenliebe erfüllt ist, den stärksten Eindruck.

Nie wirkt etwas penetrant bei ihm, alles ist einfach und selbstverständlich, eben aus reinem, mitleidendem Herzen kommend. Und dann gibt dieser Film dem Zuschauer noch etwas zu bedenken, und das scheint uns durchaus nicht unwesentlich, ganz im Gegenteil: Echte Nächstenliebe, das ist gar nicht karitativer Aufwand mit finanziellen Opfern verbunden, das ist nicht aufreibende Tätigkeit, sondern nichts als eine ehrliche Hilfsbereitschaft, ein wenig Zeit, die man für den anderen aiuf- wendet. Zu dieser Investition we -e doch jeder Mensch imstande, und so selten ist er dazu bereit, kauft sich lieber durch eine anonyme Geldspende los, die er kaum spürt, weshalb er auch nie wirklich das Gefühl verspürt, echte christliche Nächstenliebe dem anderen geschenkt zu haben.

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