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Pflichtlektüre für Politiker

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DIE ÖSTERREICHISCHE ODYSSEE. Von Gordon Shepherd (Uebersetzung aus dem Englischen von Johann Heinrich B 1 u m e n t h a 1). Quintus-Verlag, Wien. XVI und 320 Seiten. Preis 114.— S

Als Gordon Shepherds „The Austrian Odyssey“ vor knapp über einem Jahr in englischer Originalausgabe erschienen war, zögerte die „Furche“ nicht, dieses Werk in einem Leitartikel ihren Lesern vorzustellen. Wir hielten auch nicht mit unserer Meinung hinter dem Berg, der Wiener Korrespondent des „Daily Telegraph“ habe in dem vorliegenden Buch weit mehr als nur eine Art politischen Baedeker für Oesterreich wohlwollend gesinnte Diplomaten und Touristen geschaffen. Wir zögerten nicht. Shepherds Schrift, die zunächst Oesterreichs Weg von Königgrätz bis zum Staatsvertrag schildert, wegen der ebenso freimütig wie treffenden Schlußfolgerungen, wo von der Weichenstellung für die Zukunft die Rede ist, den Verantwortlichen für unser politisches Leben besonders ans Herz zu legen.

Wo die englische Sprache bisher ein Hindernis war, dort fällt dieses — und damit die Ausrede — nun auch weg. Der junge rührige Quintus-Verlag legt das Buch in deutscher Uebersetzung vor. Es nehme seinen Weg als Pflichtlektüre zu allen denen, die heute als Politiker, Wirtschaftler, Journalisten und Pädagogen, jeder auf seinem Platz, für die Zukunft unseres Landes wirken.

Wer es liest und unberührt nach der Lektüre zurückfällt in den „Wirtschaftswunderschlaf“, dem ist nicht zu helfen. Wenn es viele sind, die so reagieren: dann ist uns nicht zu helfen.

PS. Das Verdienst des Quintus-Verlages soll nicht geschmälert werden, wenn wir anmerken, daß wir der deutschen Ausgabe des Buches gerne eine bibliophilere Ausstattung gewünscht hätten. Auf die der Mentalität gerade breiterer Leserschichten sehr entgegenkommende Ausstattung mit Bildern — hier hätte es gerade in Wien reiches Material gegeben — wurde leider völlig verzichtet. Der Werbeprospekt will in Flaggensymbolik (ein seit Gulicks „Von

Habsburg zu Hitler“ stets bei Büchern über Oesterreich wiederkehrendes Motiv) Oesterreichs Schicksalsweg versinnbildlichen. Doch ach, wo blieb der historische Berater? Der schwarze Doppeladler der Monarchie schwebte niemals auf weißem Fahnentuch. Drei Pfeile auf rotem Tuch waren und sind sozialistische Parteisymbole. Die Erste Republik zeigte dasselbe Staatswappen (ohne Ketten), das Oesterreich auch gegenwärtig führt. Und erst der Ständestaat: ein schwarzes Kruckenkreuz auf gelb-weißer Fahne!!! Was soll denn das? Die historischen Tatsachen: Staatswappen war ein (übrigens heraldisch sehr geglückter) schwarzer Doppeladler ohne Krone, Zepter und Schwert. Symbol der „Vaterländischen Front“ ein rotweißrotes Kruckenkreuz auf rotweiß-rotem, mitunter auch auf weißem Fahnentuch. Nur bei der Fahne des nationalsozialistischen Reiches spielte die Phantasie dem Graphiker keinen Streich.

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