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Spanische Jugend

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In einer „Reportage für Christus" unter dem Titel „Helsinki" übte Pater Jose Maria de Llanos S. J. im Anschluß an die diesjährige Olympiade in der Falangezeitung „Arriba" eine Art öffentlicher Gewissenserforschung. Er fragte, ob vor dem kläglichen Bild, das die spanischen Sportler in Helsinki gaben, nicht alle Spanier betroffen die Augen senken und sich sagen müßten, daß da Sünden begangen wurden, Unterlassungssünden in der Sorgfalt um die Entwicklung der Jugend, Sünden an ihrer Kraft und Gesundheit, Sünden, die darüber hinaus tiefer greifen, an ihrer Seele..

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In einer „Reportage für Christus" unter dem Titel „Helsinki" übte Pater Jose Maria de Llanos S. J. im Anschluß an die diesjährige Olympiade in der Falangezeitung „Arriba" eine Art öffentlicher Gewissenserforschung. Er fragte, ob vor dem kläglichen Bild, das die spanischen Sportler in Helsinki gaben, nicht alle Spanier betroffen die Augen senken und sich sagen müßten, daß da Sünden begangen wurden, Unterlassungssünden in der Sorgfalt um die Entwicklung der Jugend, Sünden an ihrer Kraft und Gesundheit, Sünden, die darüber hinaus tiefer greifen, an ihrer Seele..

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Es war eine seltsame, sehr ergreifende Art, ein sportliches Thema mit Religiösem zu verquicken.

Die Eindrücke, die man im Laufe der Jahre von der spanischen Jugend empfängt, können nicht widerspruchsvoller und verwirrender sein. Einmal erfüllt einen der Anblick zerlumpter, bettelnder Kinder und in aller Öffentlichkeit zigaret- tenrauchender zehnjähriger Herrchen mit Zorn, Indignation und Bedauern. Ein andermal berührt einen tief die würdige Frömmigkeit, mit der Hunderte von Jünglingen und Jungmännern in einer hl. Messe die hl. Kommunion empfangen oder Tausende an einer Jungmänner- Bußprozession durch einen Ort ziehen, während das geschäftige Leben in den Straßen stockt. Man bleibt verwundert am Hoftor eines Priesterseminars oder Novizenheims stehen und schaut gebannt auf diesen lauten, frohen, lebenssprühenden Betrieb eines Freiluftaachmittags, auf Seminaristen, die wie wilde „crews Baseball und Fußball spielen, als hätten sie keine Kutten an, auf diese mit schnellen, energischen Schritten ausgreifenden Gruppen von Diskutierenden; die Worte fliegen hin und her, hell schallt Lachen, in roten und gebräunten Gesichtem blitzen unternehmungslustige Au- , gen, starke, weiße Zähne. Wie gesund ist doch diese zukünftige Priester- und Ordensgenerationl

Ein paar Straßen weiter fliegt einem Gestank ums- Gesicht wie ein ekliger Haderlappen, Gegröhl schallt aus einem schmierigen Gebäude, vor dem ein Pasten mit einem Schießprügel steht, den Kragen starrend vor „Speck"; ein Mädchen biegt um die Ecke, und aus der Kaserne, über der das Wort „Todo por la Patria" steht, schallen ihr zotige Zurufe entgegen — mitten in der Stadt.

Draußen in der Vorstadt steht ein Kino. Vor der Kasse hängt eine Riesentraube Menschen. Polizei versucht, Ordnung in das Getümmel zu bringen, wo unter Frauen verschiedenster Kategorien, die eine und die andere mit einem schreienden Kind auf dem Arm, lachend und kichernd Mädchen sich schieben und stoßen, Mädchen und wieder Mädchen. Näherinnen, Ladenmädchen, Jungarbeiterinnen, die von Hollywoodstars sprechen, als gingen sie bei ihnen aus und ein, siebzehnjährige Stenotypistinnen mit dem Gehaben des Vamps, der auf dem Kinoplakat prangt, Rotznasen von Schulmädchen, Zehnjährige. Der Film ist nicht jugendfrei. Jünglinge und Knaben sieht man nur wenige. Und von den Mädchen zwischen 14 und 20 sieht man auffällig wenige in den Kirchen.

„Juventud sin rumbo“ — „Jugend ohne Fahrtrichtung" — so hört man es oft von spanischen Kanzeln, und wenn dieses Wort wohl in vielen Sprachen, in vielen Ländern von besorgten Jugend- I Seelsorgern ausgesprochen werden mag,

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