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Der Einsame und seine Bilder

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Eine bestimmte geistige und politische Konstellation war notwendig, damit die Stimme Gottfried Benns, dieses radikalen ahistorischen und — im weitesten Sinn — unpolitischen Dichters und Denkers wieder gehört werden konnte. Ein Glücksfall auch, daß Benns Werke im Limes-Verlag einen so sorgfältigen und eifrigen Betreuer gefunden haben! In rascher Folge erschienen während der letzten Jahre die hübsch aufgemachten Bändchen mit Altem und Neuem.

„Essays“ vereinigt zehn Studien aus den Jahren 1928 bis 1933 und schließt mit einer 1951 vor der Deutschen Akademie in Darmstadt anläßlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises gehaltenen Rede. — „Dorische Welt“, eine Untersuchung über die Beziehungen zwischen Kunst und Macht, enthält wohl typisch Bennsche Gedankengänge, läßt aber in der Art der Akzentuierung das Erscheinungsjahr (1933) erkennen. In „Das Genieproblem“ exponiert und bekräftigt Benn die Ergebnisse des hochinteressanten Buches von Lange-Eichbaum über Genie, Wahnsinn und Ruhm, indem der Begriff des „Bionegativen“ nicht nur bei fast allen Genialen nachgewiesen, sondern auch dessen Anerkennung und Verehrung durch das Kollektiv, das ja schließlich den Ruhmeskranz verleiht, festgestellt wird. Einige dieser Untersuchungen und

Themen, meint Benn, hätten im Laufe der letzten zwanzig Jahre ihr Gewicht und Gesicht geändert, andere seien „inaktuell“, da die behandelten Fragen inzwischen Allgemeingut geworden sind. Aber liest man etwa die Rundfunkrede aus dem Jahre 1931 über „Die neue literarische Saison“ so hat man den Eindruck: es hat sich nichts geändert! Auch die Kraft von Benns existentieller Prosa wurde durch die Zeit nicht gemindert.

„Probleme der Lyrik“, eine 1951 in der Universität Marburg gehaltene Rede, handelt vom ureigensten Anliegen des Dichters und ist ein Bekenntnis zum autonomen lyrischen Ich, das gegen den Anspruch der „Mitte“ (die bekanntlich verlorengegangen ist!) erbittert und eloquent verteidigt wird. Die Faustregeln freilich, die Benn seinen Zuhörern in die Hand geben wollte, um ein wirkliches Gedicht des Jahres 1951 von Nur-Gereimten zu unterscheiden, sind ■— wie könnte es anders sein! — zu sehr aus der eigenen Praxis abgezogen, um Allgemeingültigkeit zu besitzen.

„D ie Stimme hinter dem Vorhan g“, drei auf den ersten Blick saloppe Gespräche, enthält Benns bisher wesentlichste Aussage, die wir in dem Artikel „Von der Einsamkeit des Dichters“ („Die Warte“ VIII'Nr. 50) zu deuten versucht haben.

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