6722386-1965_17_15.jpg
Digital In Arbeit

Altrussisches in Graz

Werbung
Werbung
Werbung

Mussorgskys „Boris Godunow“ ist in Graz durchaus keine Seltenheit; allerdings wurde das Werk stets in der bekannten Bearbeitung durch Mussorgskys Freund Rimsky-Korssakow gegeben. Die Originalfassung der Oper wurde bisher in Österreich noch nie auf einer Bühne gezeigt. Nun haben Berislav Klobuiar und Andre Diehl sie vor kurzem ihrer Neuinszenierung des „Boris“ in der Grazer Oper zugrunde gelegt. Die Unterschiede zwischen den beiden Fassungen sind beträchtlich. Was am meisten ins Auge fällt: die längere Dauer der Urfassung und die Umstellung der Schlußbilder. Die Oper endet hier nicht mit dem Tod des Boris, sondern mit der Massenszene im Wald bei Kromy, in der der Bojar ein Opfer seiner Leibeigenen wird und an deren Ende der falsche Dimitri unter dem Jubel der Masse nach Moskau zieht. Nicht mit dem Geläut der Kremlglocken klingt somit die Oper aus, sondern mit den ahnungsvollen Worten des Blödsinnigen, der auf der leer gewordenen Bühne lallt: „Wehe, wehe dir, du armes Volk, du hungernd Volk!“ Stärker noch fällt der Unterschied im Klanglichen auf: hier — in der Urfassung — ist nichts glatt, nichts „geschönt“; die Harmonien sind kühn, aber die Instrumentation nicht allzu wirkungsvoll. Nichts ist auf Effekt gearbeitet, einfach und kräftig ist alles — leider empfindet man aber auch manches als schwerfällig und sogar ein wenig plump. Die Aufführung wurde wieder zu einem schönen Leistungsbeweis der Grazer Oper; die Massenszenen hätten allerdings einer intensiveren Durch-zeichnung durch die Regie bedurft. Wolfram Skalickis Dekorationen sind von prächtiger, düsterer Glut, Beristav Klobuöars Werk- und Sachkenntnis ist nicht genug zu schätzen, Hubert Hofmann gab einen leidenden, Amfortasähnlichen Boris mit herrlicher Stimme.

Von den Komödien Ostrowskij* wird „Wölfe und Schafe“ relativ selten gespielt. Der Grund dürfte wohl darin liegen, daß die Handlung, die sich zwischen Wechselfälschungen und anderen Betrugsaffären recht unübersichtlich hindurchschlängelt, keinen besonderen Anreiz für eine Aufführung darstellt. Versucht man es dennoch, dieses Werk zu spielen, so muß einen die Interpretation und vor allem die Zeichnung der Typen für das mangelnde Interesse am Geschehen entschädigen. Was der Regisseur Horst Forester im Grazer Schauspielhaus gemacht hat, war nicht zu erkennen, dafür um so mehr, was er versäumt hatte: dem Stück, vor allem aber den Figuren Profil zu geben. Mit einem Aller-weltsstil, der in Wirklichkeit keiner ist, kommt man einer solchen- Besonderheit des Theaters nicht bei. Ein verlorener Abend —leider.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung