Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Eulenspiegel in Graz
Nestroys „Eulenspiegel“ hat mit dem Till des Volksbuches nur gemein, daß auch er unstet durch die Lande zieht, um bösen Menschen einen Streich zu spielen und den guten dabei zu helfen. Das tut er im Verlauf einer grob gezimmerten Posse, die sich mit Hilfe einer nicht sehr einfallsreich gebauten Schwankmaschinerie bewegt. Liest man das Stück, so weiß man, warum es kaum jemals gespielt wird.
Das Grazer Schauspiel hatte seinem Publikum Nestroys köstliches „Eisenbahnheiraten“ versprochen, dann aber — vermutlich, weil es in Graz niemanden gibt, der exakt böh-makeln kann —, zu dem etwas obskuren „Eulenspiegel“ gegriffen. Was man in Klaus Gmeiners Inszenierung zu sehen bekam, findet sich gewiß auch in deutschen Klamauklustspielen im Kino. Aber die unbeschwerte Biedermeierei auf der Bühne des Schauspielhauses war denn doch um Grade besser, das Niveau der Situationskomik höher und die ganze Darbietung eben bedeutend charmanter. Zu dieser lustvoll gespielten Blödelei mit Geschmack paßte nicht schlecht die modernisierte Musik des älteren Müller, deren unerwartete Klangeffekte der Kombination Klavier und Ham-mondorgel zuzuschreiben sind. Rudolf Buczolich ist hinreißend komisch in der Nestroy-Rolle des Natzi, die noch ganz im Stil der Thaddädl-Späße des Wiener Vorstadttheaters konzipiert ist, Anton Lehmann gibt voll bummelwitziger Clownerie den Eulenspiegel, der seinerzeit von Wenzel Scholz gespielt wurde.
Eine insgesamt respektable Leistung war die letzte Operninszenierung der Spielzeit — Verdis „Don Carlos“. Vor allem deshalb, weil das Grazer Ensemble derzeit über Stimmen verfügt, die eine Neustudierung des Werkes gerechtfertigt erscheinen lassen (Jose M. Perez, Hans Helm, K. Ohashi, Margit Kobeck, Bozena Ruk) und weil die Dekorationen W. Skalickts wiederum höchst sehenswerte künstlerische Qualität hatten. Die Regie Wolfgang Webers konnte die Massenszenen nicht recht bewältigen, und das Orchester unter dem temperamentvollen Alfred Walter hätte sich in der Lautstärke einige Mäßigung auferlegen müssen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!