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Besorgt Euch dafür Asche!

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Ihr wollt uns eine Sühne-Summe zahlen? Zum 11. März? Wem? Zum Beispiel dem Marcel Prawy, dem Gerhard Bronner, dem Bruno Kreisky, mir?

Ihr wollt sühnen, was andere uns und unseresgleichen angetan haben. Ihr wollt Euch an die Brust klopfen, weil ganz andere am Heldenplatz geschrien haben?

Sühnt lieber, was Ihr gesündigt habt! Wer hat den Bronner nach Österreich zurückgeholt, den Georg Kreisler, den Ernst Deutsch, den Oskar Jellinek, den Arnold Schönberg, das Ehepaar Charlotte und Karl Bühler, den Oskar Kokoschka, die Leute von der „Literatur am Naschmarkt“: Engel, Metzl, Piesen, Singer, den Jimmy Berg vom „ABC“, den Hans Horwitz von der „Stachelbeere“?

Ich hab“ mich sehr bemüht, darf ich's sagen? Den Hans Horwitz, der ein begnadeter Kabarettist war, dem hab ich eine Einladung nach Wien verschafft, mit Hilfe des ORF und anderer, ich war mit ihm beim Chef der Musikakademie, hab“ von ihm erzählt. Die Herren haben sich sehr elegant unterhalten, aber keine Frage, ob er vielleicht aus seiner US-Armseligkeit in seine Vaterstadt zurückkehren möchte.

Den Metzl und den Spitz vom Kabarett „Stachelbeere“, da hab“ ich das Wiener Rathaus ersucht, und sie waren so nett und haben sie nach Wien eingeladen, und da haben sie einen Orden von Wien bekommen. Aber vorher, als sie noch potente Autoren waren, hat niemand nach ihnen gefragt. Wen?

Zum Beispiel mich. Ich hab“ 1949 einen Leitartikel im „Neuen Österreich“ schreiben dürfen, „Die wichtigste Brücke“: Man soll die Emigranten nach Osterreich zurückrufen. Einen Schmarren hat man.

Der Prosadichter Oskar Jellinek ist im kalifornischen Exil an der Sehnsucht nach Gloggnitz gestorben, der große Lyriker Theodor Kramer war tief unglücklich in England, und man hat ihn erst zurückgerufen, als er schon halb sterbend war. Den großen Wiener Pianisten Rudolf Serkin hat man nicht zurückgerufen. Den großen Dirigenten George Szell hat man nicht zurückgerufen. Den Polyhistoriker Ernst Gombrich hat man nicht zurückgerufen. Den Germanisten und Dichter Heinz Politzer hat man nicht zurückgerufen.

Es sind zu viele, ich kann nicht weiter aufzählen.

Nur noch: den Dichter Paul Celan hat man nicht in Wien gehalten. Die österreichische Dichterin Rose Ausländer hat man eben in der Bundesrepublik Deutschland sterben lassen.

Gebt uns keine Sühne-Zahlung! Besorgt für den entsprechenden Betrag Asche, sehr viel Asche. Und streut sie auf die Häupter -nicht jenen, die vor 1945 „Heil Hitler“ gesagt haben, sondern Euch selber, die nach 1945 indirekt „Heil Hitler“ gesagt haben.

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