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Christen wie Augustus

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In Ephesus, wo die kleinasiatische Muttergöttin Artemis ihr als siebentes Weltwunder gepriesenes Heiligtum hatte, entdeckte heuer ein Team des österreichischen Archäologischen Instituts unter der Leitung von Gerhard Langmann den rituell bestatteten Marmorkopf eines Kaiserpriesters. Dieser Kopf stammt von einer Statue, die wahrscheinlich einige Jahrhunderte lang an der Hauptstraße nach Ephesus, der Metropole der römischen Provinz Asia, aufgestellt war. Irgendwann zwischen 313 n. Chr., als im Mailänder Edikt den Christen gleiche gottesdienstliche Freiheiten zugesichert worden waren, und dem Jahr 381, als Kaiser Theodosius I. das Christentum zur Staatsreligion erhoben hatte, vielleicht aber auch erst 435, nach dem Verbot aller heidnischen Kulte, hatten die Epheser die Statue zerschlagen.

Auf die Stirn des ungefähr sechzigjährigen Mannes, dessen Gesicht Altersfalten aufweist und der eine Priesterbinde im Haar hat, gravierten sie das Christusmonogramm X (Chi) und P (Rho) ein. Den Kopf des Priesters, den die Darstellung des Kaisers Au-gustus, seiner Frau Livia sowie zweier Genien auf seiner Binde als einen der ersten Kaiserpriester von Ephesus legitimiert, legten sie sorgfältig in einen Sarkophag und deponierten diesen unter der Hauptstraße: eine zwar nicht einmalige, aber doch von der Regel abweichende Vorgangsweise.

Im allgemeinen zerstörten nämlich die Christen heidnische Tempel, Kultstatuen und Symbole. Besonders verhaßt waren ihnen die Kaiserstandbilder, weil sie vor ihnen opfern und somit ihrer

Uberzeugung abschwören sollten. Trotzdem blieben einige solcher Standbilder erhalten, etwa das berühmte Standbild des Marc Aurel auf dem römischen Kapitol, den man ursprünglich für Kaiser

Konstantin gehalten hatte.

Allein in Ephesus aber wurden vor einigen Jahren bei der Freilegung der Basilika (Markthalle) drei nahezu unversehrt gebliebene Porträtköpfe zutage gefördert.

Zwei davon stellen Kaiser Augustus dar, einer Kaiserin Livia. Nach Meinung des Ausgräbers Wilhelm Alzinger gehörten sie zu überlebensgroßen Sitzbildern, von denen zumindest zwei im Kaisersaal der Basilika aufgestellt waren. Dem Grabungsbefund nach scheinen sie, versehen mit einem eingravierten Kreuzzeichen über der Nasenwurzel, bis zum Abbruch der Basilika im 6. Jahrhundert an dieser Stelle gestanden zu sein, dann „begrub“ man sie unter dem Ziegelboden.

Auf Studien des Religionswissenschaftlers Franz J. Dölger, OSB, gestützt, meint Langmann: „Mit dem Kreuzzeichen auf der Stirn erfolgte gleichsam die posthume Aufnahme von Augustus und Livia in die christliche Glaubensgemeinschaft. Dieser Akt der Katechumenenauf nähme wurde an Ort und Stelle im Kaisersaal der Basilika im Rahmen einer Feier von einem Würdenträger vollzogen.“

Hätten Christen in einem Gewaltakt die Statuen durch das Kreuzzeichen gleichsam „entdä-monisiert“ — was häufig vorkam —, dann wären die Statuen nicht länger im Kaisersaal verblieben. In diesen Raum hätten fanatische Bilderstürmer auch nicht ungesehen eindringen können.

Für diese These spricht nach Langmann auch der Umstand, daß der Friedenskaiser Augustus, unter dessen Regierung Jesus in römische Censuslisten eingetragen worden war, nie „Divus“ werden wollte. Der Fund des Priesterporträts weist darauf hin, daß die Loyalität gegenüber Augustus auch auf seinen „Diener“ übertragen wurde.

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