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Das dramatische 14. Jahrhundert

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Mit ihrem Buch über das „dra­matische 14. Jahrhundert“ begibt sich die amerikanische Autorin Barbara Tuchmann in historisches Neuland. Ihr eigentliches Fachge­biet ist das frühe 20. Jahrhundert.

Fast alle Arbeiten von Barbara Tuchmann sind Bestseller - in erster Linie deshalb, weil sie das seltene Talent hat, Geschichte gut und span­nend zu erzählen. An „Der ferne Spiegel“ arbeitete sie sieben Jahre lang und wie ihre vorausgegangenen Werke ist es peinlich genau recher­chiert und brillant geschrieben.

Trotzdem, das Werk weist auch Schwächen auf, vor allem in zwei Dingen:

Die authentische Person, die sie zum „Medium“ ihrer Erzählung macht - der Sire de Coucy - bleibt

über weite Strecken nur eine nebu­löse Figur hinter seiner schwerfälli­gen Ritterrüstung.

In geradezu entwaffnender Weise gibt Barbara Tuchmann zu, daß sie weder einen Kleriker noch einen Heiligen als „Medium“ ausgewählt hat, „weil sie sich außerhalb meines Verständnisses bewegen“. Und spä­ter führt sie an, wie schwierig es für sie sei, die christliche Religion zu er­gründen, „wie sie damals war“.

Gewiß, aber wenn man nicht ein­mal den Versuch macht, den religiö­sen Hintergrund zu verstehen, kann man wohl auch kaum darauf hoffen, das Zeitalter als Ganzes zu begrei­fen.

Trotz Hungersnöten, Seuchen und unaufhörlichen Kriegen, die die Zeit prägten, richteten sich die Menschen immer wieder auf. Aus dem, was die Autorin „versteinerten Scholastizismus“ nennt, entspran­gen die Grundprinzipien der moder­nen Physik und der Kosmologie. In der Logik wurden die größten Fort­schritte seit Aristoteles gemacht.

In derselben Zeit erfolgte die Schaffung repräsentativer Regie­rungen, soziale Revolutionen bra­chen los, die Landessprachen in Europa begannen sich zu entwik- keln und noch vieles andere mehr. Nichts von diesen Dingen ist vor­stellbar ohne die Inspiration der christlichen Religion und die Arbei­ten des - nicht immer orthodoxen - Klerus.

DER FERNE SPIEGEL. Von Barbara Tuch­mann. Claassen-Verlag, Düsseldorf 1980. 520 Seiten, öS 369,60.

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