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Das Kirchenrecht im neuen Juristengesetz

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Das neue Studiengesetz für die Juristen steht vor dem Abschluß. Am Rande der Gesetzwerdung stehen Auseinandersetzungen um die Verankerung der europäischen Rechtsgeschichte, wozu der emeritierte Ordinarius für Kirchenrecht an der Universität Wien, Willibald Plöchl, Stellung nimmt. Wir stellen seine Ausführungen zur Diskussion.

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Das neue Studiengesetz für die Juristen steht vor dem Abschluß. Am Rande der Gesetzwerdung stehen Auseinandersetzungen um die Verankerung der europäischen Rechtsgeschichte, wozu der emeritierte Ordinarius für Kirchenrecht an der Universität Wien, Willibald Plöchl, Stellung nimmt. Wir stellen seine Ausführungen zur Diskussion.

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Da nun auch die Begutachtungsfrist für die Studienordnung zum neuen juristischen Studiengesetz abgelaufen ist, erscheint es angezeigt, eine Stellungnahme abzugeben. Wenn Gesetz und Verordnung durch die Rechtsfakultäten ordnungsgemäß eingehalten werden, dann beginnt eine neue Ära, mit der man zufrieden sein kann.

Nach dem neuen Studiengesetz ist das Kirchenrecht, soweit es um die Rechtsgeschichte geht, im ersten Studienabschnitt im Rahmen des Prüfungsfaches „Rechtsgeschichte Österreichs und Grundzüge der europäischen Rechtsentwicklung, unter Berücksichtigung der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“ vollwertig verankert. Im zweiten Studienabschnitt ist das geltende Kirchenrecht Wahlpflichtfach; das Staatskirchenrecht ist im Rahmen der öffentlichrechtlichen Fächer zu lesen und zu prüfen; schließlich ist das Fach Kirchenrecht als Dissertationsfach vorgesehen.

Mit der Bischofskonferenz abgesprochen

Aul diese neue Einordnung des Kirchenrechts hat der Klubobmann der SPÖ, Heinz Fischer, schon am 6. Dezember 1977 gegenüber der österreichischen Bischofskonferenz hingewiesen, ehe es am 16. Dezember 1977 zur endgültigen Einordnung des geltenden Kirchenrechts in den Wahlpflichtfächerkatalog kam. Dies geschah in einem von Minister Hertha Firnberg, den Abgeordneten Fischer, Blenk und Ermacora ausgearbeiteten Papier zum Fächerkatalog des Studiengesetzes. Damit wurde den durch Kardinal König im Namen der Bischofskonferenz kurz davor präzisierten Vorstellungen Rechnung getragen.

Als ich Ende 1947 aus Amerika zurückkam, war an der damaligen Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät das Institut für Europäische Rechtsgeschichte eingerichtet worden, in dem trotz der damals noch bestehenden Dreiteilung der Studienfächer eine integrierte europäische Rechtsgeschichte angestrebt wurde. Was damals den Schöpfern dieser Idee, den Professoren Köstler, Kreller und Planitz, vor den Augen stand, ist nach deren Emeritierung wieder in die antiquierte Auffächerung Römische Rechtsgeschichte, Deutsche und österreichische Rechtsgeschichte, Verfassungsgeschichte sowie kirchliche Rechtsgeschichte zerfallen.

Am Vorabend der Beschlußfassung des neuen Juristengesetzes wurde überdies an der Wiener Fakultät das Institut für Europäische Rechtsgeschichte aufgelöst. Das war eine einzigartige Fehlleistung, für die sich jedoch eine überwältigende Mehrheit fand. Das geschah glücklicherweise nicht an den anderen Rechtsfakultäten in Österreich, wo

die europäische Rechtsgeschichte schon verankert war. Man darf nicht übersehen, daß die aus dem Historismus des vergangenen Jahrhunderts stammende Dreiteilung zwar vom Standpunkt der Forschung einiges für sich hat, eine übersichtliche Darstellung der europäischen Rechtsgeschichte jedoch bislang erschwert hat.

Natürlich gehört in diese europäische und österreichische Rechtsgeschichte auch die Entwicklung des Staatskirchenrechts, wofür gerade an der Wiener Fakultät eine Professorin, ebenfalls zum Kreis meiner Schüler gehörend, in besonderem Maße prädestiniert ist. Die europäische Rechtsentwicklung ist in so starkem Maße durch das Kirchenrecht beeinflußt, daß es ein wirklicher Verlust wäre, nicht darauf Rücksicht zu nehmen.

Das bezieht sich nicht nur auf einzelne Gebiete, wie Wahlrecht, Rechtspersönlichkeit, Stiftungswesen, Eherecht oder das Finanzrecht, das während des Hochmittelalters gerade auf dem Gebiet des Steuerrechts und des Verrechnungswesens einzigartig vorbildlich war, es bezieht sich auch in sehr starkem Maße auf das Arbeits- und Sozialrecht. Man sollte nicht vergessen, daß etwa die Sonn- und Feiertagsruhe und die Einführung der gebotenen Feiertage den arbeitenden Menschen des Mittelalters in manchen Ländern mehr als 150 arbeitsfreie Tage gebracht hat. Man sollte auch nicht vergessen, daß etwa Spitäler, Schulen, Arbeitsbedingungen der Untertanen rechtliche Regelungen zunächst im Kirchenrecht gefunden haben.

Daß nunmehr im zweiten Studienabschnitt das Kirchenrecht als Wahlpflichtfach verankert ist, gibt die Möglichkeit, nicht nur das katholische Kirchenrecht, sondern auch Grundzüge des Kirchenrechts der anderen gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften zu tradieren, was im Staatskirchenrecht eine notwendige Ergänzung erfahren muß. Die Ausbildung der österreichischen Juristen wird dadurch gewinnen, daß das geltende Staatskirchenrecht dem öffentlichen Recht einverleibt wird, weil es nach der bisherigen Studienordnung für Anfänger vielfach ein sehr schwieriges Problem ist, da diesen die grundlegende Kenntnis des öffentlichen Rechts fehlt.

Ich bin auch zufrieden darüber, daß es nunmehr Dissertationen geben wird und nicht ein Umweg über das seinerzeit bestandene staatswissenschaftliche Doktorat gegangen werden muß. Meine Zufriedenheit wird getrübt durch die Tatsache, daß offenbar an der Wiener Juristenfakultät für diesen Gesetzesauftrag kein Verständnis besteht und die bisherigen Versuche entgegen den Grundsätzen des Gesetzes in der Frage der Berufung eines Nachfolgers für das verwaiste Ordinariat aus dieser Haltung heraus nur Fehlschläge verzeichnen. Das Merkwür-

digste bei diesem Berufungsverfahren ist, daß die B^werbungsbedin-gungen nicht eingehalten wurden, das heißt, daß sämtliche Bewerber, die sich auf Grund der Ausschreibungsbedingungen beworben haben und diese auch voll erfüllen, mit Begründungen, die der Ausschreibung widersprechen, ausgeschlossen wurden.

In den 30 Jahren, in denen ich nach dem Zweiten Weltkrieg an der Wiener Fakultät gearbeitet habe, konnten dank wirklich guter Schüler ein Institut und ein Wissenschaftsprogramm aufgebaut werden, die weit über die Grenzen Österreichs wirksam sind. Dies geschah noch unter der alten Studienordnung; um wieviel mehr könnte nach dem neuen Gesetz geschehen.

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