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Die ordinäre Lady

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Am vergangenen Wochenende ist „My Fair Lady“ wieder ins Theater an der Wien eingezogen, wurde mit Jubel begrüßt und wird es sicher zu einer langen Aufführungsserie bringen. Man kann nicht sagen, daß das Stück bei der Wiederbegegnung gewinnt, obwohl Ausstattung, Aufführung und Besetzung (die wir freilich nicht an denen einer Broadway-Produktion messen können) kaum etwas zu wünschen übriglassen. Es ist also sinnlos, gegen dieses Produkt der Unterhaltungsindustrie zu polemisieren, das überall in der Welt bestens ankommt. Es hat alle Qualitäten der Konfektion und befriedigt das Amüsierbedürfnis so sinnvoll wie eine gute Waschmaschine ein anderes.

Nebenbei exemplifiziert dieses Musical, daß es heute, mehr denn je, auf ein gutes Sujet ankommt. In dem geistvoll-witzigen Stüde „Pygmalion“ hat der große GBS dargestellt, wie Eliza, das ungewaschene Blumenmädchen mit dem grauslichen Vorstadtdialekt, in Professor Higgins, einem leidenschaftlichen Phonetiker ihren Meister findet, diesen aber, nach gelungenem Experiment (aus ihr eine echte Lady zu machen) unter den Pantoffel zwingt. Daraus hat Mr. Lemer ein handfestes Libretto gemacht und Gerhard Bronner hat die bei uns gespielte Wiener Fassung hergestellt. Nimmt man noch die witzlosen und sentimentalen Schlagertexte dazu, so entsteht der Eindruck einer Trivialfassung der Shaw- schen Komödie. Herr F. Loewe hat seinerseits bewiesen, daß man zweieinhalb Stunden Musiktheater machen kann mit nur einem guten melodischen Einfall. („Mit ‘nem Fingerhut Musik“, sozusagen.)

In den Hauptrollen agierten, sprachen und sangen (letzteres tant bien que mal): Gabriele Jacoby, Marika Rökks wohlgeratene und talentierte Tochter, als Eliza, Josef Meinrad — Henry Higgins, Egon Jordan — Oberst Pickering, Hugo Gottschlich — Vater Doolittle, Edith Hieronimus — Haushälterin Mrs. Pearce, Emmi Percy-

Gabriele Jacoby und Josef Meinrad

Wüstenhagen — Mutter von Professor Higgins und Roderic M. Keating — Freddy. Die beiden zuletzt Genannten waren neu im Ensemble, das beim Premierenabend Rudolf Bibi vorbildlich zusammenhielt und mit dem rasant spielenden Orchester koordinierte. Die vielen, zum Teil sehr dekorativen Kostüme schuf Charlotte Flemming, die abwechslungsreiche Choreographie William Miliė. Es ist schwer, die so verschiedenartigen Bühnenbilder von Rudolf Heinrich (bald realistisch, bald impressionistisch verspielt oder lustig abstrakt) einer Hand zuzuschreiben. („Doch sag ich nicht, daß dies ein Fehler sei.“) Regie führte, wie seinerzeit bei der Wiener Erstaufführung, Rolf Kutschera.

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