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Wie ein Welterfolg aussieht

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Im Theater an der Wien läuft eit einigen Tagen das Musical „M y F a i r Lady“ nach Bemard Shaws „Pygmalion“ von Lerner & Loewe, Gilbert, Lar- en. Allere, Smiths und einem halben Dutzend weiterer Herren, die es in Coproduk- tion hergestellt haben. Die Uraufführung fand Anfang Februar 1956 in New Haven, Connecticut, statt; Mitte März des gleichen Jahres übersiedelte das Stück an das Mark-Hellinger-Theater in New York und lief dort bis Ende September 1962 insgesamt 2717mal. In London gab es von 1958 bis 1962 2281 Vorstellungen; dann folgten die deutschen Bühnen (Berlin, München und Hamburg), unter denen das „Theater des Westens" mit bisher 641 Aufführungen die Spitze hält. Diese Besetzung und Inszenierung sehen und hören wir nun auch in Wien mit Karin H u e b n e r und Paul Hubschmid als Protagonisten — und in echtestem Berlinerisch. Letzteres hat zur Folge, daß man, etwa während der ersten Viertelstunde — und auch später im weiteren Verlauf minutenlang — kaum ein Wort versteht, besonders, wenn a tempo gesprochen bzw. geschrien wird.

Doch zurück zum Stück und zur Musik.

An dieser Stelle — und auf mehreren dem Thema „Operette und Musical“ gewidmeten Sonderseiten der „Furche“ — wurde immer wieder ausgesprochen, daß die „Krise" des leichten Genres auf eine Krise bzw. einen Mangel an guten Textbüchern xurückzuführen ist. Hier, nun, jwt .Shaws „PygmilionV bekamen ,die- Bearbe ters-’Rer gisseure, Ausstatter und Musiker einen Stoff in den Griff, der theaterwirksam, witzig und interessant ist — auch wenn das Sprachproblem, um das es Shaw geht, nicht mehr am Englischen, sondern an einem anderen Idiom demonstriert wird und viel von seinem Reiz verliert. Das Shawsche Stück wurde in dem Musical „My Fair Lady” bedenkenlos vergröbert und „aufgemascberlt“; durch neue Szenen, Tanzeinlagen usw. Dazu schrieb der 1902 als Sohn eines Wiener Operettentenors geborene, in Berlin aufgewachsene und seit 1923 in den USA lebende Frederick Loewe eine Musik, die man als „perfekte Konfektion“ bezeichnen kann: eine sowohl stilistisch wie substantiell völlig unpersön-

liehe Allerweltsmusik, die auch dem ungeschultesten Hörer keinerlei Schwierigkeiten bereitet und deren geschickte Machart der Kenner gelten lassen muß. Ein Schlager, leider nur ein einziger, ist wirklich gelungen und verdient die Popularität, die er genießt.

Aber wer mag, da alle an dieser Firma Beteiligten bereits Millionen verdient haben, hier noch von künstlerischem Verdienst sprechen? Diese „Fair Lady“ ist auf ihrem Siegeszug ebensowenig aufzuhalten wie das aus der Gosse zur Lady avancierte Mädchen Eliza Doolittle, und mit dem gleichen Interesse, mit dem man Elizas Karriere verfolgt — wie sie erfunden und geschunden, angezogen und dressiert wird —,

verfolgt man auch dieses Stück: wie das alles gemacht, hergerichtet und serviert wird, mit einem sicheren Blick für alles, was zieht und gefällt: Tempo, Schwung, albern-laute Szenen und Dispute, Tanz, Show — und einer guten Portion Sentimentalität.

Karin H u e b n e r, gutaussehend und agil, ist weniger groß im Singen als in der Produktion von Urlauten. Paul Hubschmid, stattlich und routiniert, agiert einen recht grobschlächtigen Professor Higgins, dem man den von seiner Sprach- theorie Besessenen nicht recht glauben kann. Friedrich Schoenfelder als Oberst Pickering, sympathisch und ebenfalls sehr bühnensicher, ist um vieles „fei- Rtf •’MJiž35b?Wifi differenzierteren Chprak- Ytä’t’ucfLe’h Ifefefn Agnes W i n d e c k als Mutter des Professors und Karin Hardt als dessen Hausdame. — Alles andere ist aus recht grobem Holz. Die ad hoc zusammengestellte T anzgruppe macht ihre Sache gut, ebenso der Akademie- Kammerchor und das Tonkünstlerorchester, das von Peter Richter geleitet wird. Das Erfreulichste sind die Kostüme von Cecil B e a t o n, aber auch die praktischen und dekorativen Bühnenbilder von Oliver Smith können sich sehen lassen. Alles Technische klappt ausgezeichnet. Wer daran Freude hat und sich damit begnügt, der sehe sich diese amerikanischberlinerische Lady ruhig an.

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