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Das Musical der Superlative

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Der Welterfolg von „M y fair Lady“ i— von Alan Jay L e r n e r nach Shaws „Pygmalion“ getextet und von Frederick L o e w (einem gebürtigen Wiener) in Musik gesetzt — ist bis heute, kommerziell gesehen, konkurrenzlos. Woran mag das liegen? G. B. Shaw soll im Jahre 1948 gegen eine Bearbeitung seines Stückes als Musical schärfstens Protest eingelegt haben — und das mit Recht, denn es ist eine üble Angewohnheit unserer Zeit (die selbst nur über mangelhafte schöpferische Phantasie verfügt), ein Werk der. Weltliteratur nach dem anderen zu verjazzen, zu verfilmen, einmal zu einer Oper, dann wieder zu einem Musical zu machen, nachträglich noch im Fernsehen zu bringen und als Hörspiel einzurichten. Trotz und gegen G. B. Shaw ist jedoch „My fair Lady“ zu einer Sensation geworden, zu einem Musical der Superlative, und man ging mit einer unbeschreiblichen Belastung von Vorschußlorbeeren und enthusiastischen Pressestimmen aus aller Welt in das Deutsche Theater zur Münchner Premiere, die gleichzeitig zur Erstaufführung des Stückes in der Bundesrepublik wurde.

Das Thema ist bekannt: Professor Hig-gins (Sprachforscher seines Zeichens) nimmt das arme, verschmutzte und un-gebändigte Blumenmädchen Eliza Doolittle bei sich auf, wettet mit einem Freund, daß er aus diesem Mädchen innerhalb von sechs Monaten eine „First Lady“ machen wird, gewinnt diese Wette, verliebt sich in das Mädchen, das ihm zunächst nur ein Versuchsobjekt war, und läuft mit vollen Segeln in den Hafen der Ehe ein. Man muß es den Autoren von „My fair Lady“ zugestehen, daß sie daraus ein Arrangement von ungewöhnlicher Dichte gemacht haben. Regie (Wolfgang Spier), Choreographie (Erik Bidsted), Bühnenbilder (Oliver Smith) und Kostüme (Cecil Beaton) vereinigen sich zu einer Parade von Effekten, in präziser und perfektionierter Interpretation, so daß es zu einer glanzvollen Aufführung kommt, die sich nach New York, London, Stockholm und Berlin, nun auch in München, ihre schon legendäre Anziehungskraft erhalten wird. Frederick Loewes Musik könnte freilich auch von Künneke, Abraham oder Lincke sein. Die Partitur lebt von drei melodischen Einfällen, die auf den ganzen Abend gleichmäßig verteilt sind, aber diese drei Melodien gehen ins Ohr und machen sich auch auf Schallplatten gut (Herr Loewe wird rechtzeitig daran gedacht haben).

Zum neuen Start in München hat man sich für die Hauptrolle Sonja Z i e m a n n geholt, die bereits für die Berliner Premiere vorgesehen war. Sie hat es nicht leicht, denn ihre Stimme ermüdet schnell, und das ziemlich derbe Blumenmädchen muß sie überspielen, da ihr diese Art Straßenjargon einfach nicht liegt. Um so besser ist sie dann in der großartigen Szene beim Pferderennen und noch später als „Ehegattin in spe“. Umwerfend sympathisch ist Wolfgang Lukschy als Hig-gins, exzellent Herbert Tiede als Oberst Pickering, von erstaunlicher komödiantischer Bravour Kurt Pratsch-Kaufmann und ganz die .große Alte“ Käthe Haack als Mutter Higgins. Robert Gilbert hat das Stück gut eingedeutscht, und Franz Allers dirigiert mit Elan und Pfiff. Operette, Revue — Musical? „Nie sollst du mich befragen...“

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