6983162-1986_17_01.jpg
Digital In Arbeit

Die Republik hat dafür zu danken

Werbung
Werbung
Werbung

Es war mutig. Es war erfrischend mutig, jetzt vor die Nation und die Welt hinzutreten und Partei zu ergreifen. Nicht für oder gegen einen Kandidaten, sondern für die Wahrheit.

Das hatte Format. Klar und unmißverständlich, trotzdem bedacht und kalmierend. Bundespräsident Rudolf Kirchschläger hat jenes Format gezeigt, das man bei anderen Amtsträgern der Republik in diesen Tagen so schmerzlich vermißt.

Seine von Emotionen freie Darstellung des vorliegenden Materials im sogenannten Fall Waldheim, verbunden mit seiner „sehr persönlichen Beurteilung“, ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Auch jeder-Journa-list dieses Landes, der sich der Objektivität verpflichtet fühlt, kann sich da eine Scheibe abschneiden.

Soll doch keiner jetzt so scheinheiligtun, als wären die Akten aus dem UN-Kriegsverbrecherarchiv und das vom Jüdischen Weltkongreß vorgelegte Material nicht zur Interpretation herangezogen worden, Kurt Waldheim habe in Zusammenhang mit Hinrichtungen, Festnahmen und Deportationen Kriegsverbrechen begangen!

Hingegen Kirchschlägers Beurteilung des UN-Aktenmaterials: „Wäre ich in die Funktion eines Staatsanwaltes versetzt, würde ich es nicht wagen, aufgrund dieser mir vorgelegten Beweise eine Anklage vor einem ordentlichen Gericht zu erheben.“ Auch Jugoslawien hat das nicht unternommen.

Freilich: „Das Wissen um die Vergeltungsmaßnahmen muß... als gegeben angenommen werden“, schließt Kirchschläger nach dem Aktenstudium Erinnerungslücken aus.

Und aus den Unterlagen des Jüdischen Weltkongresses war — ganz im Gegensatz zu den bisherigen Darstellungen — eine Beziehung Waldheims zu Judendeportationen in Saloniki „nicht feststellbar“.

Kurzum: Es wurde eine Mitschuld festgehalten. Es ist nie zu einem Verfahren gekommen, weil nichts gewesen ist offensichtlich. Das ist ein juristisches Nichts, worüber da gesprochen wird.

Korrekterweise gehörten diese holprigen Sätze unter Anführungszeichen gesetzt. Denn das sind die Worte von Bundeskanzler Fred Sinowatz, wären unmittelbar — und im Sinne der Erklärung des Bundespräsidenten — auf Waldheim anzuwenden.

Doch für den läßt er nicht gelten, was auf Kurt Steyrers Verwahrungshaft im Sommer 1945 wegen des Verdachtes der Mitbeteiligung an einer (damals) illegalen Abtreibung gemünzt ist.

Augenfällig der Unterschied: Einer hat die Partei im Sinn, der andere den Staat. Darin kann der Bundespräsident mit seiner Aktion ohne Vorbild vielen als Vorbild gelten. Dafür darf man danken—im Namen der Republik.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung