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Die Verbrechensopfer schauen durch die Finger

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„Nehmen wir an, der Täter wird ausgeforscht und zu einer Geldstrafe verurteilt - ist es da nicht recht und billig, die eingezahlte Geldstrafe dem Opfer zur Verfügung zu stellen?“ So lautet die Fragestellung im Initiativantrag des ÖVP-Justizsprechers Dr. Walter Hauser, der von der Voraussetzung ausgeht, daß im neuen Strafrecht wohl gegenüber früher vermehrt Geldbußen an Stelle von Haftstrafen „verhängt“ werden, daß aber deswegen die Verbrechensopfer nicht besser gestellt werden als nach dem alten Recht: Denn die Geldbußen kassiert der Staat.

Ein grundsätzliches „Ja“ zum Anliegen Dr. Hausers: Der Staat soll seine Machtmittel vermehrt dafür einsetzen, daß dem Opfer zu einer Schadensgut-machung verholfen wird. Ein „Nein“ jedoch zum vorgeschlagenen Weg: Der Staat gleicht alles aus, er versorgt und befürsorgt alle - an Stelle des eigentlich Schuldigen.

Während nach dem Hauser-Vorschlag der Staat den Schaden aus der bezahlten Geldstrafe ersetzt, könnte man auch fordern, das Strafgericht solle den Täter dazu verhalten, den Schaden persönlich gutzumachen. Etwa durch Gewährung von Strafaufschub während der Ratenzahlungen oder durch Erstellung eines Schuldtilgungsplanes für die Probezeit zur Bewährung. Es gäbe gesetzestechnische Möglichkeiten, die Zwangsmittel des Strafrechts auch zur Schadens-gutmachung einzusetzen.

Aber zwei Prinzipien sollten stets gewahrt bleiben:

• Strafe kann nicht durch Schadens-gutmachung ersetzt werden. Vielmehr steht die strafrechtliche Verantwortung für schuldhafte Rechtsverletzung neben der zivilrechtlichen Verpflichtung, die Unrechtsfolgen zu beseitigen. Wir kennen einerseits keinen Schuldturm mehr, anderseits kann man sich aber auch nicht von der Strafe loskaufen. Das bedeutet: Geldstrafe und Schadenersatz dürfen im Ergebnis nicht zusammenfallen. • Die Pflicht des Täters, sich mit seinem Opfer auszusöhnen, kann vom Staat nicht übernommen werden. Die Schadensgutmachung an den durch eine Straftat Verletzten durch den Täter selbst ist ein wesentlicher Schritt zu einer erfolgreichen Wiedereingliederung des Rechtsbrechers in die Gesellschaft. Diese in der Schadensgut-machung zum Ausdruck kommende Haltung des Täters ist zumindest Anlaß der Aussöhnung zwischen dem Rechtsbrecher und dem Verletzten. Die Befriedung ist wiederum Voraussetzung für die Wiederaufnahme in die Gemeinschaft, also für eine gelungene (Re)Sozialisierung.

Diesen kriminalpädagogischen Erkenntnissen zuwider läuft der Initiativantrag Dr. Hausers: Der Staat schiebt sich zwischen die persönlichen Beziehungen und zerstört damit die Anknüpfungsmöglichkeit für die Aussöhnung des Rechtsbrechers mit dem Geschädigten und seiner Umwelt.

Daher ein anderer Vorschlag: Hat der Straftäter mit dem Verletzten einen Vergleich über die Schadensgut-machung in Raten geschlossen und hält sich der Verurteilte in der Folge daran, so ist die Eintreibung der Geldstrafe bis zur Erstattung des Schadenersatzes innerhalb angemessener Zeit aufzuschieben. Der Strafanspruch des Staates tritt nach diesem Vorschlag hinter den Schadenersatzanspruch des Geschädigten zurück. Der Richter, der eine Strafe bedingt ausspricht, könnte dem Verurteilten für die Probezeit Weisungen zur Schadensgut-machung erteilen. Ansatzpunkte für eine solche Vorgangsweise finden sich bereits in der geltenden Rechtsordnung.

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