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Ein Riesenspaß...

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Auch der zweite Abend des Gastspiels der English National Opera aus London zeigte, wo die Stärke dieses hervorragend geführten Hauses liegt: Ensemlblegeist, ein unverkennbares Profil, ein besonderer Aufführungsstil — das sind die Trümpfe, die man bereits an der Produktion von Brittens „Gloriana“ bewundern konnte und die auch Gilbert und Sullivans Operette „Patience“ zum Theaterereignis machten.

„Patience“ — so heißt ein Milchmädchen, das mit seiner Naivität dem hysterischen Damenflor eines mondänen Troufoadourhofs von Anno 1880, also einem Nobelcercle, die Stars ausspannt: Zuerst einen alternden Exzentriker, an dessen Modetorheiten, eitlem Geturtle und Selbstgefälligkeit die Ladies einen Narren gefressen haben und dem sie in ästhetischen Posen nacheifern (Gilbert und Sullivan verspotten mit dieser 1881 entstandenen Operette vor allem Algemon Swinfoume, einen Vorläufer des Dandys Oscar Wilde); und dann geht das Milchmädchen den Damen auch noch mit dem Jüngling Grosvenor durch, der vorher den alten Dichter außer Kurs gesetzt hat. Am Ende jedoch eitel Wonne: Die Liebhaber der verrückten Damen, istramme Offiziere, haben sich in romantische Hippiegarderoben von 1880 geworfen und damit den ganzen Boetenzirkus lächerlich gemacht...

Gerade dieses geistvolle Werk der Operettenfabrik „G & S“ zeigt, wie anders-.„Operette“ .in England . sein kann, auch wie brillant, wie satirisch-zeitkritisch und scharf pointiert hier Gilberts Textbücher mitunter sind. Welcher Unterschied etwa zur Wiener Operette, die manchmal geradezu an geistiger Schwindsucht leidet, viel zuviel Klischees verkauft und im übrigen sich fast ausschließlich um Melodien schert, statt wie etwa Sollivan eine durchgehend bravouröse, fast symphonisch konzipierte Musik zu schaffen.

Die Aufführung an der Wien ist eine Paradeleistung: Charles Mak-keras dirigiert souverän. Er widersteht aller (in Wien oft so peinlich endenden) Verführung zur Operet-tenoutrage und nimmt das Werk mit allen Witzen sehr ernst. So ernst, daß die Komik der Situationen um so umwerfender wirkt.

Auch hier natürlich ein Triumph des Ensembles: Jeder dieser Damen-und Offizierschöre stimmt auch in der Choreographie perfekt. Regisseur John Cox hat gemeinsam mit dem Bühnenbildner Jahn Stoddart eine Musteraufführung perfekter Harmonie geschaffen: diskret und doch voll Doppeldeutigkeit, sehr farbig und doch unerhört kultiviert. Vor allem die Ausstattung, im Geist präraffaelitischer Maler, wie Edward Burne-Jones, Gabriel Dante Rosetti, Whistler oder eines William Morrs, gestaltet, ist von wundervoller Eleganz: ein leicht verwandelfoares Pavillonsystem in neugotisch stilisierter Blumenlandschaft. Kein Requisit zuviel. Denn in der Sparsamkeit der Ausstattung zeigt sich der Meister, der hier bloß durch eine Vision gebrochener Farbtöne fasziniert.

Erneut begeistern übrigens die Sänger: vor allem Anne Collins als dicke, umwerfend pathetische Lady Jane, eine Walkürenerseheinung, die dem alternden Dichterling nachjagt, . Sandsa Dugdale als-mozarthafte Patience und Derek Hammond Stroud als köstliche Oscar-Wilde-Kopie... So muß man Operette musizieren, inszenieren, ausstatten. Die Direktoren der Wiener Häuser, die Operette spielen, hätten hier eigentlich einen Pflichtabend absolvieren müssen.

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