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Eine späte Protestaktion

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Diesen Mittwoch hielten Wiens Hausärzte ihre Praxen zum Protest geschlossen. Warum? Wer die Fakten kennt, kann eigentlich nur fragen: Warum erst jetzt?

Die Wiener Gebietskrankenkasse - in anderen Bundesländern ist die Situation ähnlich - mutet Wiens praktischen Ärzten seit Jahren zu, ihre Patienten drei Monate lang (!) für den Nettostunden(!)lohn einer schwarz bezahlten Bedienerin zu betreuen.

Pro Quartal und Krankenschein erhält ein praktischer Arzt in Wien im Durchschnitt, alle extra honorierten Sonderleistungen wie zum Beispiel Hausbesuche schon eingerechnet, brutto etwas mehr als 300 Schilling. Ein Drittel davon fressen die Ausgaben für die Ordination (Miete, Sprechstundenhilfe, Amortisation der Einrichtung und so weiter) auf, ein weiteres Drittel geht an das Finanzamt, bleiben netto rund 100 Schilling. Pro Quartal! Um finanziell überhaupt einigermaßen über die Runden zu kommen, sind die praktischen Ärzte genötigt, 70 und mehr Stunden pro Woche zu arbeiten.

Man stelle sich vor, was Arbeiterkammer und Gewerkschaft aufführen würden, würde ein Arbeitgeber ähnliches einem Arbeitnehmer zumuten. Wie blanker Hohn muß daher der Appell der Arbeiterkammer an die Ärzte klingen, „ihre Forderungen im Licht der Stagnation der realen Arbeitnehmereinkommen zu überprüfen und Solidarität zu üben".

Nach mehr als 30 Verhandlungsrunden weiß in Wahrheit natürlich auch die Gebietskrankenkasse über die Unhaltbarkeit dieser Honorierungspraxis Bescheid. Ihr Killerargument: Sorry, aber wir haben halt nicht mehr Geld!

Dazu folgende Zahlenrelation: Beitragseinnahmen der Wiener Gebietskrankenkasse von 14.331 Millionen Schilling standen 1991 laut Rechnungsabschluß Ausgaben für Wiens praktische Ärzte von bloß 830 Millionen (das sind nicht einmal sechs Prozent der Beitragseinnahmen!) gegenüber.

Die - verständlichen - Honorarwünsche der Hausärzte sind es also offenbar nicht, die unser Gesundheitssystem allmählich unfinan-zierbar machen.

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