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Fündig

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Nach dem Zita-Monolog der Schuschnigg-Monolog. Die Vi-deothek des ORF erweist sich in einem Maße als fündig, das alle Erwartungen übertrifft. Gold-gräberei dieser Art ist allerdings insoferne nicht ungefährlich, als der Vergleich mit Sprache, Habitus und seelischem Niveau von damals für sehr viele Zeitgenossen nachgerade tödlich ausfallen muß.

Das sagt nichts darüber aus, wo Schuschnigg recht und wo er unrecht hatte. Seit Jahren hatten wir Habsburgtreuen ihm ja vorgeworfen, er glaube mit Deutschen zu sprechen und wisse nicht, daß er mit Gangstern spreche. Später warfen wir ihm vor, dem Bundesheer nicht jenen symbolischen Widerstand befohlen zu haben, der uns in den Kreis der Siegermächte gerückt und zehn Jahre alliierter Besetzung erspart hätte.

In der Nacht vom 11. zum 12. März 1938, als Schuschnigg sein „Gott schütze Österreich!” sprach, folgten - und hier sind die Einleitungsworte des unver-gesslichen Jedlicka ungenau -im Rundfunk die Variationen aus dem Kaiserquartett Joseph Haydns. Und erst in diesem Augenblick - wir waren ein Häuflein Jugendlicher - löste sich unser Entsetzen in einem Schrei der Qual.

Und es folgte (wir verstanden sofort) die „Unvollendete” von Schubert. Dann, nach einer Funkstille, rasselten, dröhnten, klingelten die fremden, die deutschen Militärmärsche. Reporter, die innerhalb weniger Minuten ihre Gesinnung gewechselt hatten, berichteten hingerissen vom heulenden Triumph des losgelassenen Pöbels an Wiener Straßenkreuzungen. Und unsere Verzweiflung verwandelte sich in eiskalte Wut. Der „point of no return” war erreicht.

Viele von uns führte der Weg in den Tod, viele durch Zuchthäuser, Todesangst und Hunger hindurch bis in die Tage, in denen man uns klarmachte, daß es uns nie gegeben habe.

Wer diese Nacht erlebt hat und immer noch glaubt, das Recht gehe nicht vom ewigen Logos, sondern „vom Volke aus”, dem ist nicht zu helfen.

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