Mit einem Aufwand von rund 2,5 Milliarden Dollar wird unter der Ägide Spaniens die Feier des 500. Jahrestages der Eroberung Amerikas vorbereitet. Die Ordensleute in Lateinamerika wollten zu diesen triumphalistischen Feiern, die als selbstgefällig und verlogen empfunden werden, ein Kontrastprogramm, entwickeln: Das Projekt einer Neu-Evangelisa-tion unter dem Motto „ Wort und Leben".
Pater Andreas Müller, der Leiter der Franziskaner-Missionszentrale in Bonn, sagte mir dazu jüngst in Graz: „Die Feier von 1992 sollte auch ein Anlaß zur Umkehr sein, zur Neubesinnung und zur Wiedergutmachung. Wir wollten.uns zusammen mit den Opfern dieser Geschichte gemeinsam auf den Weg machen und uns aus deren Blickwinkel neu evangelisieren lassen." Müller betont, daß die Betroffenen selbst nämlich nichts zu feiern hätten: Nicht die Ureinwohner, die von 90 Millionen zur Zeit der Entdek-kung auf 7,7 Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung heute dezimiert wurden - und auch nicht die Nachkommen der sechs Millionen Negersklaven.
Pater Andreas Müller spricht von dem Projekt „Wort und Leben" in der Vergangenheit, denn nach einem Konflikt mit Rom mußte dieses Programm, das von der CLAR in Angriff genommen worden war, abgesagt werden. CLAR ist eine Vereinigung von 24 nationalen Ordensoberen-Konferenzen. Drei Jahre hatten die besten Bibelexperten schon an einem Fünfjahresplan gearbeitet -immer in Abstimmung mit CELAM, der lateinamerikanischen Bischofskonferenz, und Rom. Dem Projekt wurde aber die kirchliche Approbation verweigert. Haupteinwände waren: Die Bibel würde reduk-tionistisch im Sinne einer so-ziopolitischen und ökonomischen Befreiung interpretiert; die Tradition der Kirche werde manipuliert und mißachtet und im befreiungstheologischen Ansatz komme eine klassenkämpferische Neigung zum Ausdruck.
Müller meint nun, daß es überhaupt um die ganze Linie der lateinamerikanischen Kirche gehe, wie sie in Medellin und Puebla eingeschlagen wurde. 1992findet in Santo Domingo die nächste CELAM-Konfe-renz statt. „Wird da eine andere Richtung eingeschlagen?", fragt der Leiter der Franziskaner-Missionszentrale, der einen Zusammenhang sieht, wenn sich 1992 die Europäer zu einem reichen gemeinsamen Markt zusammenschließen und die Lateinamerikaner an ihre Armut erinnert werden.
Müller hätte auch eine Idee, wie man diese Jahrhundert-Feier wirklich würdig begehen könnte: „Durch eine Entschuldung der Länder Lateinamerikas. Und zwar nicht als Gnadenakt, sondern als Akt der Gerechtigkeit."