7043403-1990_25_03.jpg
Digital In Arbeit

Jahrhundertfeier

Werbung
Werbung
Werbung

Mit einem Aufwand von rund 2,5 Milliarden Dollar wird un­ter der Ägide Spaniens die Fei­er des 500. Jahrestages der Eroberung Amerikas vorberei­tet. Die Ordensleute in Latein­amerika wollten zu diesen triumphalistischen Feiern, die als selbstgefällig und verlogen empfunden werden, ein Kon­trastprogramm, entwickeln: Das Projekt einer Neu-Evangelisa-tion unter dem Motto „ Wort und Leben".

Pater Andreas Müller, der Leiter der Franziskaner-Mis­sionszentrale in Bonn, sagte mir dazu jüngst in Graz: „Die Feier von 1992 sollte auch ein Anlaß zur Umkehr sein, zur Neubesin­nung und zur Wiedergutma­chung. Wir wollten.uns zusam­men mit den Opfern dieser Geschichte gemeinsam auf den Weg machen und uns aus deren Blickwinkel neu evangelisieren lassen." Müller betont, daß die Betroffenen selbst nämlich nichts zu feiern hätten: Nicht die Ureinwohner, die von 90 Millionen zur Zeit der Entdek-kung auf 7,7 Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung heute dezimiert wurden - und auch nicht die Nachkommen der sechs Millionen Negersklaven.

Pater Andreas Müller spricht von dem Projekt „Wort und Leben" in der Vergangenheit, denn nach einem Konflikt mit Rom mußte dieses Programm, das von der CLAR in Angriff genommen worden war, abge­sagt werden. CLAR ist eine Vereinigung von 24 nationalen Ordensoberen-Konferenzen. Drei Jahre hatten die besten Bibelexperten schon an einem Fünfjahresplan gearbeitet -immer in Abstimmung mit CELAM, der lateinamerikani­schen Bischofskonferenz, und Rom. Dem Projekt wurde aber die kirchliche Approbation verweigert. Haupteinwände waren: Die Bibel würde reduk-tionistisch im Sinne einer so-ziopolitischen und ökonomi­schen Befreiung interpretiert; die Tradition der Kirche werde manipuliert und mißachtet und im befreiungstheologischen Ansatz komme eine klassen­kämpferische Neigung zum Ausdruck.

Müller meint nun, daß es überhaupt um die ganze Linie der lateinamerikanischen Kir­che gehe, wie sie in Medellin und Puebla eingeschlagen wur­de. 1992findet in Santo Domin­go die nächste CELAM-Konfe-renz statt. „Wird da eine andere Richtung eingeschlagen?", fragt der Leiter der Franziskaner-Missionszentrale, der einen Zusammenhang sieht, wenn sich 1992 die Europäer zu ei­nem reichen gemeinsamen Markt zusammenschließen und die Lateinamerikaner an ihre Armut erinnert werden.

Müller hätte auch eine Idee, wie man diese Jahrhundert-Feier wirklich würdig begehen könnte: „Durch eine Entschul­dung der Länder Lateinameri­kas. Und zwar nicht als Gna­denakt, sondern als Akt der Ge­rechtigkeit."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung