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Kanadischer Eiertanz

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Während George Wallace, der Gouverneur von Alabama, in einer Rede in New York Kanadas Premierminister Pierre Trudeau als einen „geheimen Kommunisten“ brandmarkte und ihn boshaft mit Castro verglich, sind in Ottawa die Vorbereitungen für den Besuch von Premierminister Kossygin in vollem Gange. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, daß Trudeau gerade Kenneth Brown, seinen Botschafter in Kuba (der auf Heimaturlaub in Ottawa weilt) mit den Vorbereitungen für den Besuch des russischen Staatsmannes betraute.

Premierminister Kossygin wird neben Ottawa (Washington des Nordens) auch Montreal (Kanadas Paris), Toronto (Kanadąs New York), die Präriemetropole Edmonton und Vancouver (Kanadas Torweg des Pazifik) besuchen. An einem Besuch der kanadischen Arktis war der Gast aus Moskau nicht interessiert.

Mittlerweile verletzen Washingtons jüngste wirtschaftliche Maßnahmen Kanadas Interessen so sehr, daß Premierminister Trudeau vor den Fernsehkameras erklärte, eine große Anzahl von Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft seien möglich: „Sie reichen von der Integrierung mit den USA bis zu dem totalen Krieg gegen die USA — und allem, was dazwischenliegt.“

Handels- und Industrieminister Jean-Luc Pepin weist darauf hin,

daß Kanada der beste Kunde der USA sei; im Vorjahr kauften Kanadier per Kopf amerikanische Importe im Wert von 500 Dollar. Anderseits kauften Amerikaner —» „per capita“ — kanadische Produkte im Wert von nur 50 Dollar. Die vordem so harmonischen Beziehungen zwischen Ottawa und Washington spiegelten sich auch in Präsident John F. Kennedys Rede im kanadischen Parlament am 18. Mai 1961: „Geographie machte uns zu Nachbarn; Geschichte machte uns zu Freunden, die Wirtschaft machte uns zu Partnern und Notwendigkeit machte uns zu Alliierten.“

Diplomatische Berichte erwähnen immer wieder, daß Pierre Trudeau im Weißen Haus persona non grata sei — zum Unterschied von seinem Vorgänger, dem Friedensnobelpreisträger L. B. Pearson, der sich wegen seiner konzilianten Politik des besonderen Vertrauens von Washington erfreute; anderseits haben Premierminister Trudeaus außenpolitische „Eiertänze“ ein gewisses Unbehagen kreiert.

Trudeau erklärt: „Wenn die Vereinigten Staaten nur unsere Bodenschätze haben wollen und von uns erwarten, daß wir ihre Industrieprodukte kaufen, werden wir unsere ganze Politik einer genauen Überprüfung unterziehen müssen.“

Der Gast aus Moskau hätte sich keinen „interessanteren“ Zeitpunkt auswählen können …

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