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Krieg in der Luft

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Botschaftererinnerungen werden oft mit einem gewissen Vorbehalt aufgenommen. Ihre Niederschrift entspringt nämlich nicht selten einem mehr oder weniger geglückten Rechtfertigungsbedürfnis eigener Handlungen oder der meist sehr einseitigen Abrechnung mit alten Feinden und „Freunden“.

Die Aufzeichnungen Botschafters Jacobus Gijsbertus de Beus’, welcher im Laufe eines langen Berufslebens in den verschiedensten Funktionen die Niederlande in Krisenzentren der Weltpolitik vertrat, bevor er seine Laufbahn in Bonn beschloß, sind von anderer Art. Der Verfasser des vorliegenden Buches beschränkt sich in seinem Zeugenbericht auf dramatische Monate und Stunden seines Diplomatenlebens. Immer lag in diesen Krieg in der Luft, immer wieder hieß es „Morgen bei Tagesanbruch … “

Das war so, als der junge Attache im Berlin und Danzig des Jahres 1939 die letzten Wochen vor dem Beginn des Angriffs Hitlers auf Polen miterlebte. Das war so, als Norwegen und Dänemark überfallen wurden und schließlich die eigene Heimat de Beus an die Reihe kam. Der Autor erlebte hautnah die Verzweiflung seines Kollegen, des niederländischen Militärattaches Major Sas. Dieser verfügte nämlich über ausgezeichnete Informationen über Tag und Stunde dieses Angriffs, die jedoch bei den informierten Regierungen auf taube Ohren stießen. Diese nicht beachteten

Warnungen stammten nämlich von niemandem anderen als vom Chef der Zentralabteilung der deutschen Abwehr: dem späteren 20.-Juli-Mann Oberst Oster.

„Morgen bei Tagesanbruch“ hieß es auch, als die Niederlande militärisch erfolgreich, aber politisch vergebens sich auf dem Boden ihres einstigen Kolonialreiches der Etablierung des neuen Einheitsstaates „Republik Indonesien“ widersetzten und statt dessen den „Vereinigten Staaten von Indonesien“ den Weg ebnen wollten.

Der österreichische Leser, dem in jenen Jahren der Blick auf die andere Seite der Erdkugel aus naheliegenden Gründen durch die Bewältigung der eigenen Tagesprobleme verstellt war, erfährt hier aus dem Munde des damals stellvertretenden Hochkommissars in Djakarta viele ihm unbekannte Details über das dramatische Ende „Niederländisch Indiens“.

Zuletzt drohte noch einmal im Beobachtungsfeld Jacobus Gijsbertus de Beus die Kriegsfanfare „Morgen bei Tagesanbruch“ zu erklingen. Diesmal war Indonesien am Zug, Neuguinea „Heim ins Reich“ zu holen. Präsident Kennedy gelang es, was bisher weithin unbekannt geblieben ist, praktisch in letzter Stunde, den Ausbruch der Feindseligkeiten zu verhindern.

Botschafter de Beus berichtet sachlich und beinahe frei von jeder Emotion über jene Tage, in denen er alles andere als ein Statist auf diplomatischer Bühne gewesen ist. Den Zeitgenossen zur Erinnerung, den Nachgeborenen zur Warnung.

MORGEN BEI TAGESANBRUCH. Drama- tische Stunden im Leben eines Diplomaten. Von Jacobus Gijsbertus de Beus. Verlag Severin und Siedler, Berlin 1982.316 Seiten, geb., öS 302,50.

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