6798952-1971_24_05.jpg
Digital In Arbeit

Lannachs Ende

Werbung
Werbung
Werbung

Der Ende Mai erfolgte Beschluß des Aufsichtsrates, jener Gesellschaft, die in Lannach eine Raffinerie errichten sollte, eben diese Raffinerie nicht zu bauen, setzt nur einen Strich unter ein erfolgversprechendes österreichisches Industrieprojekt. Denn das Projekt an sich war schon vorher abgeschrieben worden: Mitte Dezember beschloß der Aufsichtsrat der österreichischen Mi- neralölverwaitungs-AG, die Raffinerie Schwechat von gegenwärtig 7,5 Millionen Jahrestonnen Durchsatzkapazität auf rund 11 Millionen aufzustocken. Obwohl man in der ÖMV beteuerte, dieser Schritt bedeute keinesfalls, daß man über Lannach den Stab gebrochen habe, löste die Entscheidung der ÖMV bei den Partnern der ÖMV in der Erdölraffineriegesellschaft (ERG) Überraschung aus. Denn in den Verträgen über die Adria-Wien-Pipeline, dem sogenannten „Package Deal“, war festgehalten worden, daß kein Partner etwas unternehmen werde, ohne vorher die anderen Gesellschafter zu konsultieren.

Die Gesellschafter der ERG verbindet eine Vielzahl von Interessen, eines schien aber für die Internationalen gemeinsam zu sein: Der Mitbesitz an einer österreichischen Raffinerie. Die ÖMV hat in der ERG einen Anteil von nur 26 Prozent, dem Anteile der Shell mit 23,7, der Mo- biloil mit 18, BP mit 13, Esso mit 7,3 und Agip und Total mit je 6 Prozent gegenüberstehen.

Wenn nun Landeshauptmann Krai- ner die ÖMV für das Scheitern von Lannach mitverantwortlich macht, scheint das gar nicht so unwahrscheinlich zu sein — wohl hatten die ständigen Eingaben und Aktionen des Vereins „Schützet das Kainach- tal“ zu der zweijährigen Verzögerung des Baues und damit zu der enormen Kostensteigerung von 1,4 auf 3 Milliarden Schilling geführt —, doch scheint man am Otto-Wagner-Platz in Wien (der ÖMV-Zentrale) nicht gerade böse darüber gewesen zu sein, daß man nun ruhigen Gewis-

lens Schwechat ausbauen konnti md damit die „Internationalen“ en *er an sich band.

Es war auch der Generaldirekto ler ÖMV, der erstmals das aus ;prach, was die anderen Gesell schäften schon lange dachten: Im Fe sruar erklärte Kommerzialrat Lud vig Bauer nämlich mit aller Deut ichkeit, Lannach werde dann nich gebaut werden, wenn man nicht eii Minimum an Wirtschaftlichkeit voi ler neuen Raffinerie erwarte) rönne. Daß dieses Minimum a) Wirtschaftlichkeit zu Beginn de Jahres 1971 aber nicht mehr gegebei var, mußte selbst der größte Opti nist erkennen. Der Generaldirekto ler Shell versuchte noch einmal, da Projekt zu retten und warf den Vor schlag, die Kapazität der Rafflneri /on den geplanten 2,2 Mallionei Jahrestonnen auf drei bis vier Mil lionen zu erhöhen und die im Inlam licht absetzbare Produktion in di lenachbarten Oststaaten zu expor deren, in die Diskussion. Doch di ÖMV winkte ab und erklärte, di öststaaten hätten selbst mit Uber Produktionen zu kämpfen.

„Schützt das Kainachtal!“

So blieb dem Aufsichtsrat der Ge Seilschaft gar nichts anderes übrig,

als das Projekt einstimmig zu Grabe zu tragen. Zurück blieb eine nicht erkennbare, aber doch sicher vorhandene Verstimmung der „Internationalen“ über die: ÖMV und eine zur Untätigkeit verdammte sogenannte Erdölrafflneriegesellschaft. Denn in typisch österreichischer Vorliebe für halbe Lösungen beschloß der Aufsichtsrat zwar, zum „gegenwärtigen Zeitpunkt“ die Raffinerie nicht zu bauen, verzichtete aber darauf, die Gesellschaft aufzulösen. So wird sie bestehen, um die wohl nur als Weidegründe verwendbaren teuren Baugründe der Raffinerie sowie das unnötig gewordene Anschlußstück der Adria-Wien-Pipeline zu verwalten. Denn an die Möglichkeit, daß eine Raffinerie in Lannach doch noch gebaut werden wird, glauben nur sehr große Optimisten.

Viel zu spät kam die Initiative des Handelsministeriums, das von den Gesellschaften die Erstellung eines Energieplanes forderte. Die Studiengruppe, die diesen Plan intern erstellen soll, wurde noch nicht einmal formiert.

Der Sieg der „Schützer des Kainachtals“ ist also unbestritten. Ob dieser Sieg allerdings günstig für die österreichische Energieversorgung ist, ist zu bezweifeln. Selbst die Vereinsmitglieder scheinen vom Vorteil ihres Sieges nicht überzeugt zu sein: Ein Sprecher des Vereins erklärte am Tag nach der Beschlußfassung, es sei falsch, dem Verein die Schuld an der verspäteten Konzessionserteilung und damit an dem Scheitern von Lannach zuzuschieben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung