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Nach hinten gewendete Reform

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Hier wurde nach hinten reformiert. Das gibt es in Österreich -wenn es um „neue“ Bestimmungen zur Ausländerbeschäftigung geht.

Die erste Novelle des Ausländerbeschäftigungsgesetzes aus dem Jahr 1975, die der Nationalrat vor dem Erscheinungsdatum dieser FURCHE bereits beschlossen haben wird, bleibt weit hinter der angekündigten Anpassung bisher geltender Bestimmungen an eine veränderte Situation der Gastarbeiter zurück.

Im einzelnen: Nach wie vor muß eine Beschäftigungsbewilligung dem Arbeitgeber, nicht dem betroffenen ausländischen Arbeitnehmer erteilt werden; der Ausländer gilt in diesem Bereich nicht als Rechtsperson.

Beibehalten wird auch eine im internationalen Vergleich extrem lange Frist von acht Jahren Beschäftigung zur Erreichung eines Befreiungsscheines, der die freie Bewegung am Arbeitsmarkt erst ermöglicht.

Im - wenn's ins Konzept paßt -vielgerühmten Schweden gibt es das für Ausländer schon nach einjähriger Arbeitserlaubnis. Selbst die Bundesrepublik Deutschland kennt mit fünfjähriger Beschäftigung eine niedrigere Frist.

Neu in der Novelle ist der Befreiungsschein für Jugendliche. Ihn werden aber nur Kinder von Eltern erhalten, die schon mindestens fünf Jahre in Osterreich leben und die selbst mindestens die Hälfte ihres Lebens oder die halbe Pflichtschulzeit in Österreich verbracht haben. Chancenlos sind Jugendliche, die im Familiennachzug gekommen sind.

Unberücksichtigt bleibt in der Novelle die familiäre und soziale Situation des einzelnen Ausländers. Das kann zu besonderen Härten bei Kündigungen führen. Hier besteht ein Widerspruch zum Fremdenpolizeigesetz 1987, das die familiäre und soziale Lage vor Ausspruch eines Aufenthaltsverbots sehr wohl berücksichtigt.

Im internationalen Vergleich, aber auch hinsichtlich der österreichischen Gesetzesentwicklung ist diese Novelle also ein Rückschritt. Die Stimmen der mit Ausländern arbeitenden Organisationen wurden im Sozialausschuß nicht gehört.

Sozialminister Alfred Dallinger soll deren Kritik zwar goutiert, aber gemeint haben, daß im großkoalitionären Klima zur Zeit eben nichts anderes durchzusetzen sei. .

Auf wen hat man bei der Novellierung dann gehört? Offenbar auf eine unterschwellige Volksmeinung gegen Ausländer. Natürlich will in den Regierungsparteien niemand ausländerfeindlich erscheinen. Aber auf einer vermeintlichen Grundstimmung -verunsichert durch starke Sprüche eines Jörg Haider — glaubt man mitschwimmen zu können.

Selbst wenn es dann den 150.000 „Tschuschen und Türken“ in Österreich ungleich schlechter geht als den rund 170.000 im Ausland arbeitenden Österreichern.

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