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Nachruf auf einen Menschen
Lenin bleibt allein.
Der Mann, der Stalin aus dem Mausoleum auf dem Roten Platz verbannte, findet weder im Mausoleum noch an der Kremlmauer seinen Platz.
Ja, selbst rühmende Nachrufe sind Nikita Sergejewitsch in der Presse seines Landes verwehrt. Der Mann, der Stalin zuerst treu diente, ihn später der Verdammung der Historie preisgab, der die Sowjets nach Kuba und Ägypten brachte, der den Sputnik in den Himmel jagte und die Macht der Sowjets auf den Weltmeeren begründete: dieser Mann findet nur ‘gute Nachrede im Westen, Im Westen, der für ihn immer ein , .Sumpf der Korruption und Ausbeutung“ (so bei einer Rede im Jahre 1959) war.
Die Menschen im „Sumpf“ neigen sich vor dem roten Toten.
Aber ist Koexistenz, die leutselige Friedfertigkeit, die joviale Urwüchsigkeit die einzige Seite im Bild des Nikita Sergejewitsch Chruschtschow gewesen?
War er es nicht, der die Panzer nach Budapest rollen ließ, der mit seinem kubanischen Abenteuer die
Welt an den Rand des Atomkriegs führte, der die Berliner Mauer bauen half und der in Nahost der Wegbereiter der ewigen Konflikte durch aufgeputschte und wohlausgerüstete Araber wurde?
War er nicht der steinerne Gast einer Epoche unserer Zeit, die sich zu echter Entspannung nicht finden konnte, weil Koexistenz in den Augen des Ukrainers im Kreml eben nicht Verzicht auf Revolution war?
War Chruschtschow ein Kornmu- hist?
Liest man die Nachrufe auf ihn, könnte man meinen, er wäre als Friedensengel durch die Geschichte gewandelt.
Und deshalb tut man dem großen Toten unrecht: Chruschtschow war ein Mann seiner Welt, die seif 1B17 ihre Geschichte auch mit Blut schrieb. Was er hinterläßt, ist keine Pax sowjetica.
Aber die Welt würde mehr Chruschtschows auf der anderen Seite des roten Vorhanges brauchen. Man könnte sich leichter verständigen. Denn Nikita Sergejewitsch war vor allem — ein Mensch.
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