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Jacques Offenbach hat seine einzige Oper „Hoffmanns Erzählungen“ unvollendet hinterlassen. Woher der Dirigent Bonynge die Informationen aufgetrieben hat, die seinen Änderungen entsprechen, wissen wir nicht. Wir haben immer gehört, daß alle relevanten Skizzen Offenbachs für seinen Hoffmann außer dem Klavierauszug verlorengegangen sind. Er arbeitete an der Fertigstellung eines Klavierauszugs fieberhaft, doch ehe die Pariser Oper die Erstaufführung bringen konnte, war Offenbach bereits von dieser Erde abgerufen worden. Dieser Klavierauszug, die einzige authentische Unterlage, ist jedoch verschwunden, und damit beginnt das seltsame Bühnenschicksal dieser Oper, die mehr Bearbeitungen über sich ergehen lassen mußte, als irgendein anderes Opernwerk. Die jeweiligen Regisseure fügten — und fügen noch heute — ein Übriges an mehr oder weniger guten Retouchen hinzu. In dieser Bearbeitung gab es einen das Vorspiel eröffnenden Chor der Geister des Biers und des Weines, auch ein Lied Lindorfs und Sextett mit Chor im Mittelakt. Die künstlerisch nicht anfechtbare Rekonstruktion bedingt eine etwa 20 Minuten längere Aufführungsdauer...

Die szenische Neugestaltung von Charles Klein (Ausstattung und Kostüme) und BUss Hebert (Regie) wagte keine von der Met-Tradition abweichenden Experimente. Die visuelle Langeweile wurde nicht beseitigt, und E. T. A. Hoffmanns Phantasie hat diese Inszenierung nicht befeuert, Tatsache aber ist, daß Hoffmann niemals seine Wirkung verfehlen wird, vor allem dann nicht, wenn Sänger zur Verfügung stehen wie Joan Sutherland, Placido Domingo, Thomas Stewart und Huguette Tourangeau, die die Schlüsselpartien in der Neuinszenierung von „Hoffmanns Erzählungen“ in der Met sangen. Joan Sutherland sang in einer brillanten Tour de force die drei Partien der drei ebenso großen wie unglücklichen Lieben Hoffmanns: Olympia, Giulietta und Antonia. Sie sang außerdem noch die sonst stumme Partie der Stella, die in dieser Inszenierung eine besondere Bedeutung und ihre eigene Musik erhielt. Für die Titelpartie hatte die Met Placido Domingo parat, einen Sänger, der die besten stimmlichen Eigenschaften eines Gigli, eines Wunderlich, eines Gedda und eines Bjoerling in sich vereinigt. Sein Spieltalent, sein lyrisches Timbre und ein gewaltiges Volumen erreichten erstaunliche Glanzpunkte. — Als Hoffmanns Freund Nikiaus und inspirierende Muse erschien eine junge Sängerin, Huguette Touran-geau in ihrem Met-Debüt. Die Stimme hinterließ einen ebenso lieblichen Wie kräftigen Eindruck. — Den Wohllaut der Offenbach-Kanti-lenen großartig vermittelnd: Thomas Stewart als Lindorf, Coppelius, Da-pertutto und Dr. Mirakel.

Richard Bonynge, der am Pult seiner eigenen Neubearbeitung des Werkes gegenüberstand, war offenbar beschwingt von dem Esprit der Offenbachschen Musik, arbeitete die subtilen Reize der Gesangszenen klar heraus und brachte eine leidenschaftliche Note in diese Mischung von deutscher und französischer Romantik. So war der Abend, besonders in seinem musikalischen Teil, einer jener, der auf die Plusseiten der Met gehört.

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