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Neues von Fronius

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In der Espresso-Galerie „Romanum“ in Perchtoldsdorf, knapp vor den Toren Wiens, zeigte Hans Fronius eine wohlabgerundete Auswahl seiner graphischen Arbeiten aus den letzten Jahren, die durch einige besonders gut gelungene Zeichnungen und Lithographien aus den fünfziger und den frühen sechziger Jahren und durch den Holzschnitt „Sarajevo“ aus dem Jahre 1937 — er nimmt auf die Eigenvorlesung des Künstlers, eines Zeugen des Thronfolgermordes,

Bezug — ergänzt wird. Den zweiten Teil der Fronius-Lesung anläßlich der Vernissage bildeten übrigens einige Passagen aus den „Stunden der Begegnung“, einer durch die „Furche“ veranlaßten und in der Weihnachtsnummer 1963 abgedruckten Niederschrift über die Begegnung des Künstlers mit Alfred Kubin, Julien Green, Thornton Wilder, Hermann Broch, mit dem Kafka-Freund Johannes Urzidil und mit Reinhold Schneider. Die Radierung „Ensor, Goya, Kubin“ spielt auf eine dieser Begegnungen an.

Unter den neuesten Blättern sind an erster Stelle vielleicht drei relativ kleinformatige Lithographien zu nennen, zwei Kafka-Reminiszenzen, „Odradek“ und „Ein altes Blatt“, und die Skizze „Zur Kleiderablage“, bei der Ensor Pate gestanden sein mag, die sich aber bruchlos den beiden Kafka-Blättern anfügt. Das Erstaunlichste an diesen Arbeiten ist zweifellos die Tatsache, daß Hans Fronius nach einer langen Reihe von großformatigen und dementsprechend „schwerer“, „malerischer“ und bewußt „expressiver“ angelegten Lithographien hier wieder zu einer rein zeichnerischen, abbreviaturenreichen und trotz der genial-flüssigen Strichführung beinahe „trocken“ skurrilen Ausdrucksweise zurückkehrt. Dabei sind gerade die neuesten Blätter — ungeachtet des Umstandes, daß z. B. diesen beiden Kafka-Blätter eine nahezu fünfzigjährige intensive graphische Beschäftigung mit dem Werk des großen österreichischen Dichters vorausgeht — von großer Spontaneität und Unmittelbarkeit. Das „inwendig voller Figur sein“ — wie es in einem Dürer-Wort heißt, auf das Fronius gerne anspielt — erfährt durch die schöpferische Tätigkeit keine Einbuße, sondern eher eine Steigerung.

Die zahlreichen Mappenwerke werden durch einige Blätter aus der „Mythographia“ repräsentiert, in der sich Hans Fronius zum erstenmal mit der griechischen Mythologie auseinandersetzt. Die Gestalt des Tragischen bricht mit diesen ekstatischen, aber durchaus in sich geschlossenen Blättern in die dem griechischen Schicksalsbegriff ja eher fernstehende Bildwelt des Künstlers, der sein Mitgefühl mit dem leidenden Menschen und der leidenden Kreatur allerdings auch hier nicht zu verbergen vermag.

Im Mittelpunkt des Interesses stehen freilich auch diesmal wieder die schönen schlichten Landschaftsgraphiken — karges, herbstliches Gehölz an einsamen Wasserlacken oder verlassen daliegenden Ufern, das zum Symbol stiller Todesbereitschaft wird.

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