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Schwein mit sechs Beinen

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Wann das neue Gentechnologie-Gesetz in den Nationalrat eingebracht wird, ist noch nicht klar. Nach ÖVP-Protesten wurde erst einmal der Vorschlag zu einem österreichischen Gentechnologie-Gesetz von der SPÖ zurückgezogen. Man rechnet damit, daß Ende Oktober, spätestens Anfang November ein Gesetzesentwurf dem Nationalrat vorliegt. Im Gesundheitsministerium kann man noch keinen Termin nennen.

Das neue Gentechnologie-Gesetz steht - wie die FURCHE im Gesundheitsministerium erfuhr - auf zwei Standbeinen. Es handelt sich um ein Sicherheitsgesetz für Arbeitnehmer, die mit gentechnologischen Produkten zu tun haben oder an deren Produktion selbst beteiligt sind: vorgesehen ist, daß alle gentechnologischen Arten melde- und bis zu 95 Prozent auch genehmigungspflichtig sind.

Das zweite Standbein stützt gesellschaftlich relevante Fragen: eine eigene Gentechnik-Kommission - bestehend aus Ethikern, Soziologen, Ärzten, Juristen, Ökologen, Parlamentariern - wird über die Anwendung der Gentechnologie entscheiden, darüber, was gesellschaftlich erwünscht ist oder nicht.

Bei der „erwünschten Genforschung und -technologie", für die Minister Ausserwink-ler in der ORF-Sendung Com-paß grünes Licht gegeben hat, handelt es sich - wie der Sekretär des Gesundheitsministers, Josef Kubicek, erläutert - um den „Segen der Gentechnologie" bei Krebsbekämpfung oder im pharmazeutischen Bereich. Hinsichtlich gen-manipulierter Lebensmittel - wodurch beispielsweise Produktionszeiten beschleunigt und die Haltbarkeit der erzeugten Lebensmittel verlängert werden kann - sollen dem neuen Gesetzes vorschlag gemäß genetisch veränderte Organismen der Kennzeichnungspflicht unterliegen.

„Schweine mit sechs Beinen wird es in Österreich also nicht geben", so Kubicek zur FURCHE. Eine Freisetzung neuer Arten soll mit dem neuen Gesetz verhindert werden, Eingriffe in die menschliche Keimbahn sollen ausgeschlossen werden.

In den EG-Ländern gibt es noch keine einheitlichen Richtlinien für das Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen. Nach Deutschland und Dänemark wird Österreich das dritte europäische Land mit einer dem-entsprechenden gesetzlichen Regelung sein. Juristen und Molekularbiologen meinen daher, Österreich sollte mit einem eigenen Gentechnologie-Gesetz noch zuwarten. Ein ausgewogen besetztes Symposion „Gen & Recht", vom österreichischen Phar-ma-Konzern Immuno gesponsert, dessen Statements nun unter dem Titel „Gen & TechnilT vorliegen (siehe dazu Seite 3), machte unlängst darauf aufmerksam, daß die Verbindung von Forschung und wirtschaftlichen Interessen auf kaum einem anderen Gebiet weiter gediehen ist als dem der Gentechnologie.

Wo kommerzielle Motive so greifbar und im einzelnen kaum mehr durchschaubar sind, wachse Mißtrauen: Daher vertrage sich der Autoritätsanspruch der Wissenschaft nicht mehr mit dem Anspruch einer demokratischen Gesellschaft auf Transparenz jener Grundlagen, auf denen ihre gewählten Vertreter Gesetze zu machen haben.

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