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„Selbstmord-Führer" als Bestseller

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„Immer mehr Ärzte helfen Schwerkranken, sanft zu sterben." Das konnte man jüngst auf der Titelseite des politischen Magazins „Newsweek" lesen. Das Blatt hatte seine Titelgeschichte einem Thema gewidmet, das derzeit in den USA heftig diskutiert wird: Wohlüberlegter Selbstmord und Anleitungen dazu.

Die genauen Anleitungen liefert ein Bestseller, der in der beliebten Sparte der sogenannten Ratgeber-Bücher erschienen ist: „Last Exit" von Derek Humphry. Die wichtigsten Selbstmordmethoden werden hier analysiert, und der Autor gibt Tips, wie man am besten erreichen kann, daß der angestrebte „Erfolg" eintritt.

Der „Selbstmord-Führer" erschien zwar schon im April, aber zum Publikumshit wurde er erst durch die Medien: Zuerst kam das „Wallstreet-Journal" mit einer Besprechung, dann nahm sich die beliebte Sendung „Good Morning America" von ABC des Themas an; CNN wollte sich die massenwirksame Geschichte auch nicht entgehen lassen, und so konnte der einstige Reporter Humphry immer wieder feierlich verkünden, die Menschen hätten ein Recht, ihren Tod selbst zu kontrollieren.

Mit einem gewissen schaudernden Staunen muß man zur

Kenntnis nehmen, wie hier ein schwerwiegendes ethisches Problem mit flotten und pseudohumanen Sprüchen banalisiert wird. Die sogenannte Wertfreiheit bedingt in Wahrheit eine systematische Abwertung des Lebens. Und natürlich besteht ein Zusammenhang zwischen den Diskussionen, wann denn nun eigentlich das Leben beginne und der Frage, ab wann man das Recht habe, es zu beenden.

„Selbstverantwortung" und „Sterben in Würde" sind die immer wieder beschworenen Begriffe, die für den „rationalen Tod" nach persönlicher Wahl ins Treffen geführt werden.

1975 waren nach einer Gallup-Umfrage 41 Prozent der Amerikaner der Meinung, man habe das Recht zum Selbstmord, wenn man an einer unheilbaren Krankheit leide und große Schmerzen habe. 1990 wurde dieselbe Frage schon von 66 Prozent der Befragten mit einem Ja beantwortet. Derek Humphry als Präsident der „Hemlock Society" (38.000 Mitglieder, die sich entschieden haben, „würdig" aus dem Leben zu scheiden) wird mit seinem Buch dafür sorgen, daß dieser Prozentsatz noch steigt.

Und wenn immer mehr Ärzte nichts dabei finden, „Sterbehilfe" zu leisten, darf es niemanden verwundern, wenn der Wert des Lebens weiter sinkt.

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