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In den letzten Jahrzehnten hat Thomas Müntzer, der schicksalhafte Komet, der am Himmel der Frühreformation verglühte, verstärktes Interesse der Historiker auf sich gezogen. Beinahe drei Jahrhunderte wurde er von der Geschichtsschreibung als Nebenfigur behandelt oder ganz vergessen. Das Interesse um ihn wurde wiedergeweckt, als Friedrich Engels’ „Der deutsche Bauernkrieg“ erschien. Seit damals streiten sich marxistische und nichtmarxistische Historiker über Müntzers Bedeutung und sein geschichtliches Erbe.

Auch die bei DTV jüngst erschienenen zwei Publikationen zum Thema bringen keine Lösung der Auseinandersetzung. Das eine Taschenbuch, „Die Lutherische Pamphlete gegen Thomas Müntzer“, mit einer brillanten historiographischen Einführung von Ludwig Fischer, enthält sieben sachdienliche Beiträge: drei von Luther selbst, einen von Melanchthon, drei von weniger bekannten luthera- nischen Polemikern. Ludwig Fischer seinerseits scheint der Frankfurter Schule anzugehören, er fällt auch öfters vor dem Philosophen Ernst Bloch auf die Knie (auch er ein bedeutender Pionier der Müntzer-Forschung). Denn nach Fischer kann Müntzer und der Deutsche Bauernkrieg nur mit dem Verständnis „der Dialektik in der Ideologiebildung“ historisch erfaßt werden.

Die zweite Neuerscheinung bei DTV, die sich mit der Thematik auseinandersetzt, ist Richard van Dülmens „Reformation als Revolution“. Zwar unterschätzt der Autor den marxistischen Beitrag zur Müntzer-Forschung nicht, sein Buch offeriert aber doch eine umfassendere Sicht des Problems. Richtigerweise notiert van Dülmen, daß das 16. Jahrhundert seine sozialen, wirtschaftlichen und politischen Ansichten in theologischen Begriffen ausdrückte, schließlich kannte es nichts anderes. Der Autor sieht Müntzer vordergründig als Theologen, weniger als politischen Aktivisten, dęr sich durch Verdrehung religiöser Inhalte wichtig machte. Anders gesagt: Müntzers Karriere und die der Wiedertäufer, die ihm folgten£ war Höhepunkt des jahrhundertelangen radikalen christlichen Denkens.

DIE LUTHERISCHE PAMPHLETE GEGEN THOMAS MÜNTZER. Herausgegeben von Ludwig Fischer. 218 Seiten, öS 75,50. REFORMATION ALS REVOLUTION - Soziale Bewegung und religiöser Radikalismus in der Deutschen Reformation. Von Richard van Dülmen. 378 Seiten, öS 98,60. Beide erschienen bei DTV, München, Wissenschaftliche Reihe.

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