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Vorsicht bei Penicillin

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Gegen eine Therapie mit „schweren Geschützen“ bei jeder kleinen Erkältung sprach sich kürzlich Professor K. Betke (München) auf einem Kinderärztekongreß aus. Husten und Schnupfen seien kein alarmierendes Krankheitssymptom. In 90 Prozent aller Erkältungen im Kindesalter sei daher auch eine Behandlung mit Antibiotika nicht zu empfehlen. Penicillin schade zwar den kleinen Patienten nicht, doch müsse mit einer frühzeitigen Sensibilisierung gerechnet werden. Die Folge sei, daß später bei akuten Erkrankungen immer höhere Dosen verabreicht werden müßten. Antibiotika seien daher nicht nur bei Säuglingen und Kleinkindern auf die wenigen Fälle von entzündlichen Infektionen der Atemwege zu beschränken, für die es bislang kein besseres Medikament gebe.

Erste Aufgabe eines praktischen Kinderarztes ist es, zunächst einmal festzustellen, ob überhaupt eine bronchitisähnliche Erkrankung vorliegt oder ob es sich um eine ganz normale Erkältung handelt. Bei Kindern stellen sich bekanntlich sehr leicht Infektionen der oberen Luftwege ein. Aber nur in etwa drei bis sechs Prozent handelt es sich um eine asthmatische Bronchitis.

Im Allgemeinen kann der praktische Kinderarzt — betont Professor Betke — davon ausgehen, daß über 90 Prozent aller akuten Infektionen der Luftwege — sie machen bei Säuglingen und Kleinkindern den größten Teil der Krankheiten aus — durch Viren hervorgerufen werden.In diesen Fällen helfen Antibiotika kaum, sondern nur die alten klassischen Behandlungsmethoden wie Brustwickel, Abgußbäder und Abreibungen. Schleimlösende und fiebersenkende Medikamente können die Behandlung wirkungsvoll unterstützen.

Freiburger Ärzte haben überdies in einer Studie festgestellt, daß bei akuten Erkältungskrankheiten eine Antibiotika-Therapie keine nennenswerte Wirkung hat. Der Verlauf des Fiebers und die Ausheilung verliefen mit und ohne Penicillin in gleicher Weise. Daß die praktischen Kinderärzte trotzdem immer noch sehr häufig bei jeder kleinsten Erkältung Antibiotika verordnen, ist in erster Linie ein psychologisches Phänomen.

Abgesehen von den akuten Virusinfektionen der Atemwege, die jedes Kind programmgemäß in Form einer kurzdauernden fieberhaften Erkrankung zu absolvieren hat, gibt es nicht selten chronisch erscheinende Verläufe. Ein kleiner Teil davon gehört in das Gebiet des Asthmas, von Erkrankungen, die auf dem Boden einer Überempfindlichkeit gegen irgendwelche Stoffe in der Atemluft (etwa Blütenpollen) oder in der Nahrung entstehen und die sich zu komplexen Störungen entwickeln. Chronischentzündliche Veränderungen der Luftwege spielen dabei ebenso eine Rolle wie psychische Faktoren. In diesen Fällen muß der Arzt von Fall zu Fall entscheiden.

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