Russisches Kleeblatt im Eis - Die nördlichste Militärbasis Russlands, „Nagurskaja“, liegt auf Franz-Josef-Land, bietet 150 Soldaten Platz und wird „Arktisches Kleeblatt“ genannt. - © Wikipedia (cc by 4.0)

Arktis: Der russische Bär krallt sich den Pol

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Die friedliche und konstruktive Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft in der Arktis ist Geschichte. Auch der Nordpol verkommt zum Zerrbild nationalistischer Konflikte.

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Die friedliche und konstruktive Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft in der Arktis ist Geschichte. Auch der Nordpol verkommt zum Zerrbild nationalistischer Konflikte.

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Der Wert des hohen Nordens war die längste Zeit sehr tief. So niedrig, dass der Fürst von Liechtenstein ablehnte, als ihm Zar Alexander II. in den 1860er-Jahren Alaska zum Kauf anbot. „Es ist sicher kein Gerücht“, kommentierte der jetzige Fürst Hans-Adam II. diesen nicht zustande gekommenen Alaska-Deal. Dass es das Angebot gab, beweist sich für ihn dadurch, dass nach der Entdeckung großer Goldvorkommen in Alaska die versäumte Gelegenheit in der Fürstenfamilie immer wieder diskutiert und bedauert wurde.

1867 kaufte die US-Regierung den heutigen 49. Bundesstaat zum Schnäppchenpreis von fünf Dollar pro Quadratkilometer, insgesamt 7,2 Millionen Dollar in Gold. In den amerikanischen Beifall für den Landgewinn mischte sich auch Kritik an der Verschwendung von Steuergeld für den Kauf dieser „Gefriertruhe“, „gefrorenen Wildnis“ oder von „Walrossien“, wie die US-Presse den hohen Norden damals in die tiefste Schublade schrieb.

Eisiger Kanarienvogel

Dort, am untersten Ende der politischen und wirtschaftlichen Aufmerksamkeitsskala, stecken Alaska und die Arktis lange nicht mehr. Im Gegenteil, die Nordpolregion ist zum ökologischen wie ökonomischen und vor allem sicherheitspolitischen Hot Spot „hochgekocht“. Grund dafür ist der Klimawandel. In seinem Buch „Der Kampf um den Nordpol“ greift Michael Paul einen von Klimaforschern für die Arktis verwendeten Vergleich auf: „Ähnlich wie Bergleute unter Tage früher durch einen Kanarienvogel vor der steigenden Konzentration giftiger Gase gewarnt wurden, signalisiert Forschenden das Meereis die Veränderungen des Weltklimas.“

Gleichzeitig hört der Experte für Sicherheitspolitik der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin den Arktis Kanari auch vor den politischen und wirtschaftlichen Konflikten am Nordpol warnen: „Je weniger arktisches Eis es gibt und je besser sich die Seewege nutzen lassen, desto stärker machen etablierte Arktisstaaten wie Russland und die USA sowie die aufstrebende Großmacht China ihre jeweiligen Ansprüche geltend und desto mehr geraten sie in Konkurrenz zueinander.“

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat diese „arktische Todesspirale“, wie Klimaforscher die sich immer schneller drehenden Eisschmelzzyklen nennen, auch in die Arktispolitik transferiert. Mit umgekehrten Vorzeichen: Anstatt Tauwetter herrscht im hohen Norden wieder Eiszeit zwischen Russland und den USA. Dass Putin und seine (mediale) Entourage neben anderem Geschichtsrevisionismus auch an einem Alaska-Phantomschmerz leiden, bewies Kreml-Megaphon Wladimir Solowjow, als es in einer seiner Late-Night Shows im Staatsfernsehen um russische Antworten auf die Sanktionen des Westens ging. Staatspropagandist Solowjow warf einem Duma-Abgeordneten das Alaska-Hölzchen hin und dieser apportierte die Forderung der Rückgabe „aller russischen Besitztümer, die des russischen Reiches, der Sowjetunion und des heutigen Russlands, die in den Vereinigten Staaten beschlagnahmt worden sind“.

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