Gegner & Partner - „De-Risking“ prägt die USA-China-Beziehung. Beide Seiten versuchen die Risiken gegenseitiger Abhängigkeiten zu minimieren. - © APA / AFP / Saul Loeb

Politikexpertin Daniela Schwarzer: „Kalter Krieg 2.0 wäre falsch“

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Die Welt sei unübersichtlicher und risikoreicher geworden, sagt Daniela Schwarzer, deutsche Expertin für internationale Beziehungen. Umso mehr brauche es globale Zusammenarbeit statt Blockbildungen und Gerangel um den Platz als Weltmacht Nummer eins.

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Die Welt sei unübersichtlicher und risikoreicher geworden, sagt Daniela Schwarzer, deutsche Expertin für internationale Beziehungen. Umso mehr brauche es globale Zusammenarbeit statt Blockbildungen und Gerangel um den Platz als Weltmacht Nummer eins.

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Europa ist Teil des politischen Westens und durch die NATO an die USA gebunden. Gleichzeitig gibt es enge Wirtschaftsbeziehungen mit China. Sollte der Konflikt zwischen beiden eskalieren, würde Europa einen hohen Preis zahlen, warnt die Politikwissenschafterin Daniela Schwarzer.

DIE FURCHE: Frau Schwarzer, erleben wir den Beginn einer neuen Weltordnung?

Daniela Schwarzer: Der jüngste Gipfel der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, Anm. d. Red.) und die Aufnahme sechs neuer Länder in diese Gruppe zeigen, dass Staaten, die die aktuelle Weltordnung infrage stellen, sich in neuen Formaten zusammenschließen. Das bedeutet nicht, dass sie in vielen Punkten einer Meinung sind – aber sie prangern die Dominanz der USA und des politischen Westens in der Gestaltung der Weltordnung in der Nachkriegszeit an. Sie stellen infrage, dass Regeln, die unter Vorherrschaft der USA verabschiedet wurden, für die ganze Welt Geltung haben. Darüber müssen die Staaten des politischen Westens mit anderen sprechen, denn eine breiter akzeptierte, regelbasierte Weltordnung würde für alle Staaten Stabilität schaffen und gemeinsame Problemlösungen erleichtern. Gerade bei drängenden Themen wie dem Kampf gegen den Klimawandel ist dies wichtig.

DIE FURCHE: Offenbar denkt Washington nicht mehr, dass die Volksrepublik in das internationale System eingebunden werden kann. Zielt die neue China-Strategie der USA auf ein Eindämmen im militärischen Bereich und eine wirtschaftliche Entkoppelung?

Schwarzer: Washington hat sich rhetorisch vom Ziel des Entkoppelns verabschiedet, das noch unter Präsident Donald Trump hochgehalten wurde. Für die USA wäre es sehr teuer, sich aus den engen Wirtschaftsbeziehungen mit China zu lösen. Aber wie die europäischen Staaten versuchen auch die USA, die Abhängigkeit von China zu reduzieren. „De-Risking“ ist das neue Schlagwort: die Verringerung von Risiken und damit der Verwundbarkeit, die sich aus zu großen Abhängigkeiten ergeben. Gleichzeitig nehmen die USA China als Konkurrenten wahr, der ihnen den Platz als Weltmacht Nummer eins wegnehmen will. China reagiert, indem es versucht, sich stärker mit anderen Staaten zu verbinden. China und die USA trachten gleichermaßen danach, die eigenen Allianzen zu stärken.

DIE FURCHE: Droht Europa in die Zwickmühle der Systemrivalität zwischen den USA und China zu geraten?

Schwarzer: Europa ist in einer schwierigen Situation. Durch die NATO ist Europa eng an die USA gebunden und mit den USA Teil des politischen Westens. Zum anderen pflegt es zu den USA, aber auch zu China sehr enge Wirtschaftsbeziehungen. Sollte ein Konflikt zwischen den beiden Weltmächten eskalieren, etwa über Taiwan, hätte dies für Europa einen besonders hohen Preis. Europa will sich aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeiten nicht für die eine oder die andere Seite entscheiden müssen. Daher muss es jetzt dringend strategische Fragen beantworten: Wie kann es sich gegenüber den USA und China so positionieren, dass es konfliktmindernd auf beide Seiten wirken kann? Wie kann es dazu beitragen, die Zuspitzung eines Konflikts im Indopazifik zu verhindern?

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