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Ende des „Amerikanischen Jahrhunderts"

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Vor 50 Jahren skizzierte US-Präsident Roosevelt die Grundgestalt einer neuen Weltordnung. Dem „Frieden durch Krieg" folgten die Weltteilung in Jalta und der Kalte Krieg. Heute scheint die Zeit der Verwirklichung seiner Visionen angebrochen zu sein.

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Vor 50 Jahren skizzierte US-Präsident Roosevelt die Grundgestalt einer neuen Weltordnung. Dem „Frieden durch Krieg" folgten die Weltteilung in Jalta und der Kalte Krieg. Heute scheint die Zeit der Verwirklichung seiner Visionen angebrochen zu sein.

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Am 6. Jänner 1941 verkündete der amerikanische Präsident Franklin Roosevelt der Welt die „vier Freiheiten". Der Sieg über die Diktatoren würde eine Welt bedeuten, die auf vier grundsätzlichen Freiheiten ruhe: der Redefreiheit, der Religionsfreiheit, der Freiheit von Not und Mangel und der Freiheit von Furcht.

Mit diesem idealistischen Programm wollte der amerikanische Präsident der isolationistischen amerikanischen Öffentlichkeit eine entscheidende Wende in seiner Politik näherbringen. Von nun an wollten die USA Churchills Großbritannien, das im Kampf der Demokratien gegen die faschistischen Aggressoren auf einsamer Flur stand, massiv mit Kriegsmaterialien unterstützen. Die beinahe bankrotten Briten brauchten dafür nicht bar zu bezahlen; das Gerät sollte „geliehen und verpachtet" werden.

Im Laufe des Zweiten Weltkrieges unterstützten die Amerikaner 38 Länder mit dieser „Lend-Lease"-Hilfe: Zwischen 13 und 20 Milliarden Dollar allein gingen an die Briten; die Hilfe an die Sowjetunion wird heute mit beinahe zehn Milliarden Dollar veranschlagt (die Briten bezahlten davon nur 650 Millionen zurück; die Russen haben bis zum Jahre 2001 den Rest ihrer 722-Millionen Dollarschuld zu begleichen). Die USA wurden mit „Lend-Lease" zum „Arsenal der Demokratie".

Damit kündigte sich auch an, daß die Amerikaner die Briten als westliche Führungsmacht ersetzen würden. Nach dem Ende des Krieges gaben die Briten den Großteil ihres Weltreiches auf. Die Amerikaner übernahmen im Kampf gegen die Diktatoren weltweit Positionen von den Briten. Der Transfer der-Weltmacht von Europa nach Amerika wurde damit komplettiert.

Am Ende des Kalten Krieges ziehen sich beide maroden „Supermächte" aus den Peripherien ihrer Weltreiche zurück. Wie der amerikanische Historiker Paul Kennedy gezeigt hat, sind die Amerikaner und Russen finanziell nicht mehr in der Lage, ihre weltweiten militärischen Interessen aufrechtzuerhalten. Damit deutete sich eine neue epochemachende globale Machtverschiebung an.

Mit dem Angriff des irakischen Diktators Saddam Hussein auf Kuweit scheint ein neues Zeitalter eingeläutet zu werden. Zum ersten Mal hat sich die Weltgemeinschaft in der UNO zu einer gemeinsamen Politik zusammengetan. Man weigert sich, einen Diktator zu beschwichtigen.

Der Westen hat sich die „Lehre von München" aus dem Jahre 1938 zu Herzen genommen, als man glaubte, den Aggressor Hitler mit „Appeasement" besänftigen zu können. Zum ersten Mal seit der Gründung der UNO im Jahre 1945 arbeiten die USA und die UdSSR im Sicherheitsrat zusammen - vielleicht eines der wichtigsten Resultate des Endes des Kalten Krieges. 1990 sollte zum „Jahr der UNO" deklariert werden.

Unter der Führung Washingtons bietet ein gewaltiges militärisches Aufgebot in der Saudi Arabischen Wüste den Irakis Paroli. Der Irak wird mit einer Wirtschaftsblockade belegt. 1940/41 versuchte Hitler die Briten mit einer Blockade auszuhungern und zur Aufgabe zu zwingen. Heute will man Saddam mit einer wirtschaftlichen Blockade zum Rückzug aus Kuweit zwingen. Die Briten wurden 1941 durch die amerikanische „Lend-Lease"-Hilfe gerettet. Niemand will heute einem Aggressor zu Hilfe kommen.

Am Ende des Kalten Krieges sind die Amerikaner schnell zur Einsicht gekommen, daß sie die gewaltigen Kosten für die Operation „Desert Shield" nicht alleine tragen können und wollen, wie das etwa in Korea und Vietnam auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges der Fall war. Im Jahre 1940/41 brauchten die Briten die Amerikaner. 1990/91 brauchen die Amerikaner che Europäer. „Lend-Lease" kündigte im Jahre 1941 im Stillen den Transfer der Macht vom europäischen auf den amerikanischen Kontinent an. Deutet sich im Jahre 1990/91 ein ähnlicher epochemachender Machttransfer zurück an Europa an?

Infolge der massiven Verteidigungsbudgets der Reagan-Jahre sind die Amerikaner zwar noch das „Arsenal der Demokratie" - das war aber eine Wiederbewaffnung auf Pump. Washingtons jährliche Budgetdefizite können nicht mehr ohne die Investitionen aus Europa und Japan wettgemacht werden. Die Amerikaner sind nicht mehr in der Lage, alleine „Weltpolizist" zu spielen. Geht damit das „Amerikanische Jahrhundert" verfrüht zu Ende?

Der Autor unterrichtet amerikanische Geschichte an der Universität von New Orleans.

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