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8000 Bäume haben die Einwohner der albanischen Bergwerksstadt Rubik gepflanzt, 12.000 weitere folgen. Damit die Stadt und die Menschen dort neuen Halt finden.

SO2 + H2O = H2SO3" - während Bürgermeister Marc Ruçi diese chemische Formel der Furche in den Schreibblock diktiert, ragen hinter ihm die düsteren Ruinen einer aufgelassenen Kupferschmelze in den blauen Frühlingshimmel. Saurer Regen habe die Bewohner der nordalbanischen Bergwerksstadt Rubik geplagt, solange das Kupferwerk noch in Betrieb war, erklärt Ruçi. Die Abgase der Schmelze mischten sich mit dem Regenwasser und sind als "schwefelige Säure" auf Land und Leute niedergegangen. Der ungebremste Giftgasausstoß führte zu schweren gesundheitlichen Schäden bei der Bevölkerung. Den Arbeitern sei mitunter Blut aus Nase, Mund und Ohren gekommen, sagt der Bürgermeister, der so wie die anderen rund Tausend Bediensteten der Rubiker Kupferindustrie mit der Schließung des Werks vor einigen Jahren seine Arbeit verloren hat. Seither haben Ruçi und die anderen knapp 9000 Rubiker nicht mehr mit saurem Regen und verschmutzter Luft, dafür aber mit über 70 Prozent Arbeitslosigkeit zu kämpfen.

Vier Hände für 8000 Bäume

An den Berghängen oberhalb von Fabrik und Stadt sind zwei Männer zu sehen. Vier Hände zur Betreuung jener 8000 Bäume, die im letzten Jahr auf Initiative der privaten Hilfsorganisation "Albanien-Austria-Partnerschaft - aap" (siehe Kasten) gepflanzt wurden, um einem weiteren Umweltfiasko Herr zu werden: Die Abholzungen ohne Wiederaufforstung in den letzten Jahrzehnten führten zu Bodenerosion, Hang- und Straßenrutschungen. Der Verlust des Bauernlandes bedeutet aber nicht nur weniger Lebensraum. Ohne durchwurzelten Boden geht auch dessen Schwammeffekt verloren, der Niederschlag fließt ungeregelt ab - Wassernot ist die Folge. 12.000 weitere Laub- und Obstbäume will aap-Gründerin Marianne Graf auf Rubiks Berghängen noch pflanzen:

* zur Bewahrung des Mutterbodens im ökologisch empfindlichen Hochland;

* zum Aufbau einer Nahrungs- und Brennholzquelle;

* zur Wasserspeicher-Schaffung;

* zur Bodenverfestigung und zum Windschutz.

Geleitet werden die aap-Projekte von der Erfahrung, "dass durch den Aufbau einer Infrastruktur im Bildungs- und Gesundheitswesen den Menschen Hoffnung und Chancen für einen Verbleib in ihrer Umgebung gegeben wird". Denn viele junge Albaner aus den Bergregionen begeben sich auf der Suche nach einer besseren Zukunft in Küstenorte oder in die Hauptstadt. "Aber nur zu gut wissen wir", sagt Graf, "dass dieses Ausbrechen fast ausnahmslos in den Slums, in Besorgungskriminalität oder in der verzweifelten Flucht ins Ausland endet.

Eine spontane Umfrage unter zehn Rubiker Lokalpolitikern am Wirtshaustisch ergibt, dass knapp dreißig ihrer nächsten Verwandten im Ausland beschäftigt sind - dass Überleben in Rubik nur mit deren Hilfe gelingt. Für ganz Albanien sind die Überweisungen der Aussiedler und Gastarbeiter die wichtigste Devisenquelle. Die Nationalbank in Tirana bezifferte diesen Geldtransfer im letzten Jahr mit 745 Millionen Euro - Tendenz sehr stark steigend.

Bäume gegen Blutrache

Nik Nikolli arbeitete zwei Jahre in Griechenland. Heute ist er Schuldirektor in Edona, einem Bergdorf, eine halbe Stunde Autofahrt auf einer wilden Gebirgsstraße von Rubik entfernt. Die Zeit im Ausland war hart, sagt er. Nicht einmal seinem Feind wünscht er, in die Fremde gehen zu müssen. Im Widerspruch dazu spielt er - "wie viele anderen" - bei der Lotterie um die us-Green-Card mit, auch wenn er sich davor fürchtet, die unbeschränkte Aufenthaltsgenehmigung für die Staaten zu gewinnen. Was mag er so sehr an Albanien? Nikolli: "Das Land ist wunderschön, und die Menschen hier sind fabelhaft." Trotz dieses Lobs stimmt Schuldirektor Nikolli aber mit Bürgermeister Ruçi darin überein, dass eine "Veränderung in der Mentalität der Leute" die vorrangige Herausforderung für die Zukunft darstellt.

Bei der Rückfahrt nach Rubik fallen einige Marterl für Verstorbene am Straßenrand auf. Autounfälle? Nicht immer, lautet die Antwort, auch den hiesigen Opfern der albanischen Blutrache-Tradition sind einige Gedenktafeln gewidmet. Und im weiteren Gespräch wird klar, dass Ruçi und Nikolli mit einer Änderung der Mentalität ihrer Landsleute nicht nur einen Bewusstseinswandel in Richtung von mehr wirtschaftlicher Eigeninitiative gemeint haben. "Wenn der Staat schwach ist, ist der Kanon, das traditionelle Recht stark", heißt es. "Auch dafür brauchen wir die neu gepflanzten Bäume", sagt Mark Ruçi, "um zu zeigen, dass wir nicht aufgeben, dass auch wir stark sind."

ALBANIA-AUSTRIA

"Enver Hoxha war mächtig, er hat Gott vertrieben, aber Marianne Graf ist noch mächtiger, sie brachte ihn uns wieder!" oder: "Wir haben viele im Himmel, die wir bitten können, aber nur eine auf Erden!" Für viele Nordalbaner kommt die Steirerin Marianne Graf gleich nach den Heiligen. Kein Wunder, ihre Wunder sind auch für alle sichtbar: Dutzende Schulen, Kinderversorgungsstätten, Bildungs- und Gesundheitszentren hat Grafs private Hilfsorganisation "Albanien-Austria-Partnerschaft" seit 1992 in Nordalbanien aufgebaut, Tausenden Familien in Bergtälern unter anderem auch mit dem Bau von Hängebrücken geholfen. Die Albaner lieben die Volksschullehrerin dafür, die Universität Shkoder hat sie mit einer Ehrendoktorwürde, der albanische Staat mit dem höchsten Staatsorden, dem "Mutter-Teresa-Orden" ausgezeichnet. Grafs neues Projekt "Aufbäumen" schafft wieder Lebensmut und Lebensraum - mit fünf Euro für einen Laubbaum und sieben Euro für einen Obstbaum helfen Sie mit.

Kontakt und Spendenkonto:

Dr. Marianne Graf, 8071 Gössendorf

www.albania-austria.com

PSK: 92.331.000, BLZ: 60.000

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