Ein kleineres, aber mobileres Heer

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dieFurche: Warum schon wieder eine Neugliederung des Bundesheeres?

Werner Fasslabend: Die neue Heeresgliederung bezieht sich auf die neue strategische Situation in Europa, die heute klarer zu beurteilen ist, als unmittelbar nach dem Ende des Kalten Krieges. Die sicherheitspolitische Landschaft in Europa ist einerseits durch den Grundlagenvertrag zwischen der NATO, Rußland und der Ukraine gekennzeichnet und andererseits durch den Erweiterungsbeschluß der NATO. Unsere Aufgabe ist es, darauf unsere sicherheitspolitische und militärische Konzeption auszurichten. Einerseits benötigen wir in Zukunft rasche, reaktionsbereite Kräfte zur Krisenabwehr. Dem tragen wir Rechnung, indem wir die infanteristischen Truppen auf ein teilpräsentes System umstellen und in Brigaden gliedern. Andererseits stellen wir Jäger-Milizbataillone auf, die bei Bedrohungen der Infrastruktur und bei subkonventionellen Bedrohungen lagebezogen wirksam werden sollen.

dieFurche: Muß man diese Truppen, um sie einzusetzen, erst mobil machen?Fasslabend: Die Jägerbataillone müssen mobil gemacht werden, während die Jägerbrigaden sofort einsetzbar sind. Diese Teilung zeichnet sich in der Gliederung mehrerer westeuropäischen Staaten als die zukünftige Gliederung der Armeen ab. Gleichzeitig sieht unser Konzept vor, daß es im Bereich der Jägertruppe zu einer Spezialisierung kommen wird: Einen Alpin-Schwerpunkt soll die westliche Brigade haben, die im Süden beim Lufttransport und im Luftlandebereich. Die dritte wird mit Radpanzern ausgestattet und besonders beweglich sein. Die mechanisierten Truppen fassen wir zusammen: Statt der drei Kommanden wird es nur mehr zwei mit jeweils drei bis vier Bataillonen geben. Das frei werdende Kommando benötigen wir für die häufiger gewordenen Auslandseinsätze. Diese Struktur hat die Chance, langfristig die Bedürfnisse abzudecken.

dieFurche: Die letzte Neugliederung wurde vor 1995 abgeschlossen. Hat sich seit damals die Lage so geändert, daß wieder umgegliedert werden mußte?

Fasslabend: Die Heeresgliederung, die 1992 beschlossen wurde, haben wir immer als offenes System bezeichnet, das entwicklungsfähig und an neue Erfordernisse anzupassen sein würde. Jetzt gibt es den nächsten Entwicklungsschritt. Er trägt der notwendigen höheren Mobilität Rechnung.

dieFurche: Er bringt aber auch eine verringerte Einsatzstärke ...

Fasslabend: Er ist mit einer Reduktion des Mobilisierungsumfanges verbunden, nicht des stehenden Teiles. Wir werden in Zukunft 110.000 Mann haben, davon ungefähr 18.000 Reserve. Die Größenordnung der Kürzung beträgt 20 Prozent.

dieFurche: Kann man das Heer umgliedern, obwohl nicht geklärt ist, ob Österreich NATO-Mitglied wird oder ob es neutral bleibt?

Fasslabend: Die Veränderungen sind die logisch folgenden Schritte, die sich aus der gesamten strategischen Situation ergeben ...

dieFurche: Unabhängig vom Status?

Fasslabend: Die Maßnahmen nehmen nicht Bezug darauf. Allerdings gehe ich davon aus, daß es nur eine Frage der Zeit ist, bis Österreich an der Sicherheitsarchitektur als Vollmitglied teilnehmen wird.

dieFurche: Das Bundesheer wird seit seinem Bestehen dauernd reformiert. Verkraftet das ein Heer?

Fasslabend: Jedes Unternehmen benötigt im Abstand von fünf Jahren Veränderungen, ein Durchforsten aller Bereiche. Ungefähr in diesem Rhythmus haben auch Reformen beim Heer stattgefunden. Das wird auch in Zukunft so sein.

dieFurche: Was sagen die Berufssoldaten dazu?

Fasslabend: Jede Veränderung ist schwierig. Die Begeisterung ist unterschiedlich, je nach Art der Betroffenheit. Was ich feststellen kann, ist, daß die meisten die Notwendigkeit der Maßnahmen durchaus einsehen und meist rasch und effizient umsetzen.

dieFurche: Wird nicht überwiegend wegen Geldmangels reformiert?

Fasslabend: Selbstverständlich kommt die finanzielle Seite dazu. Jede Straffung, wie wir sie jetzt im Kommandobereich durchführen, hat auch den Aspekt, daß alle sparen müssen. Da muß man ansetzen bei Dingen, die keine "musts", sondern die "nice to have" sind. Das ist in der Privatwirtschaft genauso. Das Bundesheer ist seit 1955 finanziell nie verwöhnt worden, sondern mußte immer mit einem absoluten Minimum auskommen. Mit dieser Situation sind wir auch jetzt konfrontiert. Wir müssen mit einem Minimum an Mitteln ein Maximum an Sicherheit produzieren. Dank der äußerst positiven Einstellung der meisten Heeresangehörigen gelingt dies in einem Ausmaß, wie es viele Außenstehende nicht erwarten.

dieFurche: Beeinträchtigen die dauernden Kürzungen nicht die Einsatzfähigkeit des Heeres?

Fasslabend: Man muß dazu sagen, daß wir in den letzten Jahren entscheidende Schritte gesetzt haben: Die Ausrüstung mit Lenkwaffen war technologisch der wichtigste Schritt seit Bestehen des Bundesheeres, was die Kampfkraft betrifft. Wesentliches geschah auch im Kernbereich der terrestrischen Truppen, nämlich im mechanisierten Bereich, mit der Umrüstung der Artillerie. Ist diese Umstellung abgeschlossen, sind wir im terrestrischen Bereich in der Lage die erwartbaren Aufgaben effizient zu erfüllen. Im Luftbereich müssen wir erst entsprechende Maßnahmen setzen.

dieFurche: Braucht das Bundesheer überhaupt eine Luftwaffe?

Fasslabend: Darüber kann es keine Zweifel geben. In der heutigen Zeit ist die Luftkomponente die Voraussetzung für alles andere. Der Golfkrieg sollte allen, die das gerne verdrängen möchten, als Beispiel dafür dienen, daß ohne Luftwaffe nichts zu machen ist.

dieFurche: Kostet eine entsprechende Luftwaffe nicht einfach zu viel?

Fasslabend: Sie ist sicher aufwendig, aber nicht unfinanzierbar, weil sich die Beschaffungsprogramme immer über mehrere Jahre von der Lieferung bis zur Finanzierung erstrecken.

dieFurche: Es würde mich wundern, wenn Ihr Koalitionspartner Ihren Optimismus teilt ...

Fasslabend: Das hat es immer gegeben, wenn ich nur an die "Bundesheer-light"-Versionen, wie sie vor Jahren herumgegeistert sind, oder an totale Abrüstungsszenarien der Vergangenheit denke. Da kann ich nur sagen: Die Realität ist anders. In Österreich sind viele spätestens 1991, als die Jugoslawien-Krise ausbrach, von der Notwendigkeit einer entsprechenden Ausrüstung des Heeres überzeugt worden. Gerade dort, wo es Widerstand gegen den Draken gab, erklang auch der erste Ruf nach dem Draken ...

dieFurche: Auf welche Gefahren stellt sich nun das österreichische Bundesheer konkret ein?

Fasslabend: Mit dem Ende des Kalten Krieges ist die Wahrscheinlichkeit von Großkonflikten geschwunden, gestiegen ist die Gefahr von regionalen und lokalen kriegerischen Ereignissen nach dem Muster von Ex-Jugoslawien: die klassische militärische Bedrohung in einer begrenzten Form.

dieFurche: Das Bundesheer wird also imstande sein, im Falle des Wiederaufflammens eines Konflikts im Süden angemessen die Grenzen zu schützen?

Fasslabend: Selbstverständlich. Als Zweites müssen wir uns in Zukunft auf wesentlich mehr subkonventionelle Bedrohungen einstellen. Dabei ist zum Teil auch mit militärischen Mitteln zu rechnen, aber auch mit anderen Bedrohungen der Infrastruktur des Staates, etwa durch Unterbrechung der wichtigsten Kommunikationsmittel, Straßen, Stromleitungen ... Alle Analysen deuten darauf hin, daß die Gefahr von Versuchen, wesentliche staatliche Einrichtungen auszuschalten, stark steigt. Darauf muß man sich einstellen.

Das Gespräch führte Christof Gaspari.

Zur Person: Befürworter einer engen Zusammenarbeit mit der NATO Werner Fasslabend wurde am 5. März 1944 im niederösterreichischen Marchegg geboren. Nach seiner schulischen Ausbildung in Gänserndorf und am Theresianum in Wien maturierte er 1963.

Im Anschluß daran studierte er Rechtswissenschaft, zunächst ein Jahr an der Wilbraham Academy in den USA, danach an der Universität Wien. Seine Promotion erfolgte 1970. Nach der einjährigen Gerichtspraxis wurde er 1971 Product-Manager bei Henkel-Persil, wo er zuletzt als Verkaufsleiter tätig war.

Seit 18. Dezember 1990 ist Dr. Werner Fasslabend Bundesminister für Landesverteidigung. In seiner Amtszeit fand eine tiefgreifende Verwaltungsreform, die Anpassung der Heeresgliederung an die neue Bedrohungssituation und eine Ausbildungsreform statt.

Dr. Werner Fasslabend ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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