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Plädoyer für den Bundesrat

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Am Freitag, dem 16. Juli, hat der Bundesrat — bekanntlich die Schweizer Bundesregierung — die letzte Sitzung vor den Ferien abgehalten. Diese sind heuer auf bescheidene drei Wochen konzentriert. Während jeweils in früheren Jahren schon bald nach dem Schluß der Juni-Session der „reduzierte Betrieb“ im Bundeshaus einsetzte und die Bundesräte ihre Ferien so staffelten, daß von Anfang Juli bis Mitte August praktisch nur eine „Pikettmannschaft“ der Landesregierung in Bern an der Arbeit blieb, hat die stets wachsende Geschäftslast in den letzten Jahren dazu gezwungen, die Ferienzeit auf vier, fünf Wochen zusammenzudrängen. Heuer sind es nur mehr drei Wochen geworden. In der Zeit vom 19. Juli 'bis 8. August ist fast die gesamte Landesregierung abwesend, was allerdings nicht heißt, daß für den Fall der Fälle nicht die Mehrheit der Landesväter zu einer dringlichen Sitzung zusammengerufen werden könnte.

Der Bundesrat braucht Ruhe

Ferienpläne und Ferieneinteilung sind allerdings auch für Magistraten Privatsache — bald die einzige Privatsache, auf die sie noch Anspruch haben. Oder haben sollten! Denn es ist heute so, daß die Landesväter nicht einmal mehr ihre sauer verdienten Urlaubstage unbeschwert nach eigenem Plan und Gutdünken verbringen können. Sie sind auch in den Ferien an ihre Amtspflichten gebunden und müssen froh sein, wenn sie nicht noch vom Wandern oder Pilzsuchen weg ans Telephon oder zu Sitzungen gerufen werden. Wir finden es daher leicht übertrieben, wenn letzte Woche in Baselland von hohen und niedrigen Stellen ein hurrapatriotischer Lärm inszeniert wurde, weil der Bundesrat dorthin inkognito reisen wollte. Da schimpfen die Eidgenossen aller Stände jahraus, jahrein auf den Bundesrat, weil er präsentiere statt zu regieren; wittern sie aber einmal eine Chance, den sieben großen „Tieren“ das Händchen zu drücken, ihnen eine feierliche Willkommrede oder einen Begrüßungsprolog vorzutragen, so hat der Bundesrat einfach zu parieren und diese Prozeduren über sich ergehen zu lassen.

Interventionen wie diejenigen der Basler im Bundeshaus gegen einen Inkognitoausflug der Landesväter gehören zu den helvetischen Lächerlichkeiten, die man nicht tragisch nehmen soll, gewiß; aber sie zeigen auch, wie inkonsequent, rücksichtslos und egoistisch wir Hirtenknaben sind. Schließlich wußte man ja in Basel und Liestal recht wohl, daß der Bundesrat diese kollegiale Reise, seitdem er sie unternimmt, stets inkognito gemacht hat, nicht aus Angst vor Publizität oder aus Geheimniskrämerei, sondern in der löblichen Absicht, einmal im Jahr für ein paar stille Stunden in ungezwungener, kollegialer, das menschliche Verständnis füreinander festigender Weise Zusammensein, mitsammen reden und Meinungen tauschen zu können, ohne daß Pressereporter jedes Wimperzucken registrieren und ohne daß die Gespräche protokolliert und die Worte auf die Goldwaage gelegt werden müssen. Offizielle Festivitäten und Empfänge, denen die Bundesräte Tag für Tag ausgesetzt sind, lassen dieser Stille und Kollegialität keinen Raum. Daher sind die Landesväter auf die ausgezeichnete Idee gekommen, jeden Sommer für zwei, drei Tage miteinander auf ein Reislein zu gehen, um wenigstens einmal in Muße einem Bedürfnis zu genügen, das nicht nur ihr privater Anspruch ist, sondern auch im Landesinteresse selber liegt; denn gehetzte, nie zu sich selber kommende Magistraten regieren schlechter als solche, die hie und da in gelöster Atmosphäre unbeobachtet über ihre Regierungsgeschäfte reden und raten und, wenn ihnen das Reden und Raten zuviel wird, einen freundeidgenössischen Jaß klopfen können.

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