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Digital In Arbeit

Kein sinnvolles Haushalten mit den Kräften

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Während das nobelste Postulat aller, die als sozial gelten wollen, dahin lautet, die Arbeitszeit trotz Mangel an Arbeitskräften zu reduzieren, und dieweil der Ferienanspruch des Durchschnittseidgenossen gesetzlich verankert und die Feriendauer ausgedehnt wird, muß ein unter chronischer und stets noch anwachsender Arbeitsüberlastung leidender Bundesrat nicht nur zu immer unnötigen Präsentationen antreten, sondern er sieht sich auch noch gezwungen, seine sauer verdienten Ferien auf knappe drei Wochen zu reduzieren und dabei die Gewißheit zu haben, daß von den drei Wochen ein Teil noch durch Amtspflichten ausgefüllt sein wird. Wenn's gut geht, hat so ein Bundesrat die Chance, vielleicht im Herbst oder Winter hoch eine Ferienwoche zuzugeben. .

Kann man noch von Erholung und von Regeneration der Kräfte und

Köpfe reden, wenn überlastete Staatsmänner ihren Urlaub auf knappe drei Wochen Ferien reduzieren (müssen)? Gewiß: es würde schwer halten, bei den heutigen, weithin überholten Methoden mehr als drei Wochen Bundesratsferien herauszudividieren. Denn kaum, daß die Akten der Juni-Session geschlossen waren, mußte der Fahrplan für die Vorbereitung der Herbstsession bereinigt werden, welcher sowohl die Bundesräte wie die parlamentarischen Kommissionen jetzt schon ihren Tribut zu zollen haben. Die Vorbereitung der Herbstsession erfordert, daß Mitte August der Kommissionsbetrieb wieder auf Touren kommt, und das kann er nur, wenn die Bundesräte zur Verfügung stehen. So wenigstens will das geltende System, das Prestige der Herren Kommissionspräsidenten, der Paragraph X oder Y und last büt not least der — überlastete Bundesrat, der sich einfach nicht vorstellen will, daß seine Anwesenheit bei den zahlreichen Kommissionssitzungen so wenig erforderlich ist wie die Anwesenheit des Generalstabchefs bei Fußballspielen oder bei diplomatischen Empfängen...

Damit ist der springende Punkt des leidigen Problems anvisiert — die “~:-age nämlich, wie dem Bundesrat Entlastung von Unwesentlichem verschafft werden kann. Um mehr Zeit für das Wesentliche zu gewinnen, täten die Landesväter wohl gut daran, künftig mehr jenen zu vertrauen, die ihm echte Entlastung verschaffen wollen, und dafür weniger jenen nachzugeben, die ihn für alles Mögliche und Unmögliche strapazieren. Wenn eine Landesregie- ung so weit ist, daß sie nicht einmal mehr Zeit zum Ausspannen findet, dann beweist dies doch, daß das Schweizer Regierungssystem offenbar überaltert ist und den Anforderungen dieser Zeit nicl.t mehr genügt. Eine Reform ist also unumgänglich geworden. Dabei ist aber zu unterscheiden zwischen rasch realisierbaren, lediglich die Methoden beschlagenden Sekundärmaßnahmen (wie der Befreiung von Sitzungen und Anlässen, welche die Anwesenheit eines Bundesrates sachlicherweise nicht erfordern) und zwischen Strukturreformen.

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