Facebook schielt auf China

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Mark Zuckerberg will Facebook zum globalen Netzwerk ausbauen. Doch ausgerechnet die weltgrößte Internetgemeinde in China mit 650 Millionen Nutzern ist ein weißer Fleck auf der Facebook-Landkarte. Das soll sich bald ändern.

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Mark Zuckerberg will Facebook zum globalen Netzwerk ausbauen. Doch ausgerechnet die weltgrößte Internetgemeinde in China mit 650 Millionen Nutzern ist ein weißer Fleck auf der Facebook-Landkarte. Das soll sich bald ändern.

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Im Oktober letzten Jahres tourte Facebook-Chef Mark Zuckerberg durch China. Wie immer dokumentierte er seine Reisen online. Erst postete er ein Foto von sich und seinen Kollegen, wie sie durch die alte Stadt Xi'an joggten. Dann sah man ihn vor einem Tempelschrein knien. Natürlich war das kein Freizeittrip. Das Reich der Mitte ist mit seinen 650 Millionen Nutzern ein riesiger Wachstumsmarkt. Einziges Problem: Facebook wird in China seit 2009 von der Zensurbehörde blockiert. Das soziale Netzwerk prallt an der "Great Firewall", die das Regime in Peking immer höherzieht, ab. Mark Zuckerberg hat darum eine Charmeoffensive gestartet. Der Facebook-Gründer hofiert die chinesische Staatsführung, damit diese die Sperre für sein soziales Netzwerk aufhebt. Um bei PR-Terminen zu glänzen, lernt er sogar Mandarin.

Zwischen Freiheit und Zensur

Bei seiner Rede vor der Tsinghua-Universität in Peking sagte Zuckerberg: "Jeder will sich mit seinen Freunden und seiner Familie vernetzen. Wenn wir teilen und uns vernetzen können, wird das Leben besser. (...) Wir bauen Geschäfte stärker auf, weil wir besser mit Kunden kommunizieren." Und weiter: "Wir bauen eine stärkere Gesellschaft, weil die Leute mehr wissen." Die Rhetorik war durchaus ambivalent zu verstehen. Da sprach nicht nur der Wohltäter, der Menschen auf der ganzen Welt Zugang zu Wissen gewährt. Da sprach auch der Geschäftsmann. Zuckerberg will China eine Technologie verkaufen, mit der sich dessen Herrschaft zementieren lässt. Das chinesische Regime hat das Kontrollpotenzial sozialer Netzwerke erkannt. Für die Zensoren könnte Facebook ein Vehikel sein, Aktivitäten der Nutzer zu überwachen. Die chinesische Staatsführung plant, 2020 ein Bewertungssystem einzuführen, bei dem jeder Bürger einen "Score" von 350 bis 950 erhält. Der Wert berechnet sich nach der Kreditwürdigkeit, der politischen Meinung und Social-Media-Aktivitäten.

Die chinesische Führung hat einen Zensurdurchgriff stets zur Voraussetzung für einen Markteintritt gemacht. Das war für die Facebook-Führung bislang nicht akzeptabel. Nicht, weil es die Freiheit beschränkt hätte, sondern das Anzeigengeschäft. In den Verhandlungen geht es darum, welche Kompromisse die Verhandlungspartner einzugehen bereit sind. Wenn Zuckerberg die Regeln akzeptiert, könnten sich die Türen öffnen. Ein Modell könnte so aussehen, dass sich beide Seiten auf eine Zensur light einigten: China wird ermächtigt, politische Inhalte zu filtern. Im Gegenzug bekommt Facebook Zugang zum größten Markt.

Das soziale Netzwerk LinkedIn, das seit 2014 in China vertreten ist, hat sich der Zensur bereits gefügt. Politisch heikle Themen wie Tiananmen oder Tibet werden gelöscht. Das ist für ein Karrierenetzwerk, das auf Datenpunkten zu Lebensläufen gründet, weit weniger problematisch als für ein soziales Netzwerk, das von seinem Content lebt. LinkedIn China zählt aber gerade einmal 10 Millionen registrierte Nutzer, was sich angesichts der Gesamtzahl der Mitglieder (350 Millionen) als geringe Größe ausnimmt. Der erhoffte Durchbruch ist LinkedIn nicht gelungen. Und auch für Facebook sind die Startvoraussetzungen nicht günstig.

Erfolgslos in China

Die Frage ist, ob die Chinesen überhaupt Interesse an Facebook haben. WhatsApp, der weltgrößte Kurznachrichtendienst, den Facebook im Februar 2014 für 19 Milliarden Dollar übernommen hat, kann in China frei heruntergeladen werden. Bloß wird er kaum genutzt. Die überwiegende Mehrheit der Chinesen nutzt WeChat, den führenden mobilen Messenger-Dienst. We-Chat gehört zum Reich des Online-Riesen Tencent, das mit einem Börsenwert von 174 Milliarden Dollar mehr wert ist als IBM. Auf WeChat können die Nutzer shoppen, Anleihen aufnehmen, Kinokarten kaufen, chatten oder Spiele spielen. Facebook-Messenger, der weiterhin blockiert wird, erlaubt zwar gewisse Zusatzfunktionen wie Überweisungen. Doch steht er weiter im Schatten von WeChat - was Facebook jüngst selbst einräumte.

"Die Chinesen wollen Zugang zu Facebook haben, wenn sie es können", sagt die Analystin Xiaofeng Wang von der Marktforschungsgesellschaft Forrester Research im Gespräch mit dieser Zeitung. "Einige tun dies bereits, indem sie den VPN-Client nutzen, um die Firewall zu umgehen. Die Leute wollen Informationen über die Welt bekommen und sich mit Freunden vernetzen, die außerhalb Chinas leben." Derweil versucht Facebook mit einem technischen Kniff, die Great Firewall zu untergraben. Durch eine Hintertür ist es neuerdings möglich, die Facebook-App im anonymen Netzwerk Tor herunterzuladen. Das Dark Web kann auch die größte Zensurbehörde der Welt nicht regulieren. Doch selbst wenn Facebook offiziell erlaubt würde, wäre es zu spät für den Konzern, auf dem chinesischen Markt Fuß zu fassen, weil die Chinesen schon an Werkzeuge wie WeChat gewöhnt seien, schätzt Wang. Als neuer Wettbewerber sei es grundsätzlich schwierig, auf dem Markt zu reüssieren. So haben Alibaba und Netease nach der Einführung von WeChat erfolglos eigene Messenger-Apps lanciert.

Um den Durchbruch durch die Große Firewall zu schaffen, muss Mark Zuckerberg wohl auch eine Charmeoffensive bei den Nutzern starten.

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