Soziale Gerechtigkeiten

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Wenn man sich wirklich mit dem neuerdings wieder aktuellen Thema "Soziale Gerechtigkeit" auseinandersetzen wollte, müsste man sich in verschiedenen wissenschaftlichen Quartieren umtun. Freilich gibt es auch die aversive Position des Friedrich von Hayek, der überhaupt meint, es sei ein "Wieselwort" - man könne keinerlei klaren Sinn damit verbinden. Tatsächlich ist es in der Praxis eine Floskel für beliebige Forderungen.

Wenn man den konkreten Sprachgebrauch betrachtet, wird die Sache übersichtlicher. Die Kommunisten haben immer gewusst, was sozial gerecht heißt: sich das Kapital der "Ausbeuter" aneignen und damit Datschas bauen. Die Vulgärliberalen, ihre Partner auf der anderen Seite, wissen es auch: das Privateigentum schützen, wo immer es auch herkommt, einschließlich der Prämien und Boni; denn was man hat, das hat man auch verdient, sonst hätte man es ja nicht, in einem funktionierenden Markt. Die Feministinnen wissen: Gerecht ist alles, was Frauen besser stellt, und wenn sie schon bessergestellt sind, gibt es so viel verschleierte Ungerechtigkeit, dass erst recht mehr Gerechtigkeit gefordert ist.

Den alltäglichen Sprachgebrauch in Österreich kann man noch einfacher definieren: Soziale Gerechtigkeit wird dann verwirklicht, wenn die anderen etwas zahlen und ich etwas bekomme. Für das "Ich" kann man beliebige Gruppen einsetzen. Aber das Ergebnis ist einheitlich: mehr Cash für mich. Arbeitsloseninitiative: mehr Gerechtigkeit, mehr Geld für uns. Metallarbeiter: mehr Gerechtigkeit, mehr Geld für uns. Manager: mehr Gerechtigkeit, mehr Geld für uns, sonst erlahmt die Innovativität. Nein, das ist nicht Egoismus, vielmehr wird dem Ansinnen gerade dadurch höhere Weihe verliehen, dass es zum Einsatz für soziale Gerechtigkeit geadelt wird. Die Welt muss "besser" werden, und Cash für mich ist ein zufälliger Nebeneffekt.

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz

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