Die Heilkraft der Liebe ist revolutionär

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Wer sein Leben lang Geld, Macht und Erfolg hinterherhetzt, ist nicht nur ein unglücklicher Mensch, sondern wahrscheinlich auch ein kranker. Dean Ornish, Herzspezialist in Amerika, weiß, daß Liebe heilt.

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Wer sein Leben lang Geld, Macht und Erfolg hinterherhetzt, ist nicht nur ein unglücklicher Mensch, sondern wahrscheinlich auch ein kranker. Dean Ornish, Herzspezialist in Amerika, weiß, daß Liebe heilt.

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Dean, Ihr Vortrag war wirklich gut, bis Sie sich in diese Gefühlsduseleien verheddert haben," so eine Kritik, die Dean Ornish immer wieder zu hören bekommt. Dabei ist er seit mehr als 20 Jahren als Arzt und Wissenschaftler in den USA tätig und lehrt unter anderem an der medizinischen Fakultät der Universität von Kalifornien in San Francisco.

Die wissenschaftlichen Arbeiten des renommierten Herzspezialisten werden in vielen medizinischen Fachzeitschriften veröffentlicht, und der Mediziner erhielt eine Reihe von Auszeichnungen für seine Forschungstätigkeit, wie etwa 1996 die Beckmann-Medaille von der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von kardiovaskulären Erkrankungen. Dennoch muß er sich manchmal Kritiken wie die oben zitierte von seinen Kollegen gefallen lassen.

Der Grund dafür: Der Schulmediziner Dean Ornish hat es gewagt neben klassischen medikamentösen und operativen, sowie inzwischen bereits anerkannten alternativen Heilmethoden, wie einer bewußten Ernährung und regelmäßiger körperlicher Betätigung, einen weiteren Faktor in seine Therapie miteinzubeziehen, der für manche seiner Kollegen zu wenig "wissenschaftlich" ist. "Das Herz ist mehr als nur ein mechanisches Gerät", schreibt der Kardiologe in seinem neuen Buch: "Die revolutionäre Therapie: Heilen mit Liebe". Und er setzt fort: "Ein wahrer Arzt ist mehr als nur ein Klempner, Techniker oder Mechaniker. Wir haben auch ein emotionales Herz, ein psychologisches Herz und ein spirituelles Herz." All jene Komponenten, die über das "mechanische Herz" hinausgehen, beeinflussen die rein körperlichen Erkrankungen, behauptet Ornish und belegt dies mit einer Reihe von Studien.

So wurde beispielsweise zu Beginn der 50er Jahre eine Studie an Harvard-Studenten durchgeführt. Die durch das Zufallsprinzip ausgewählten 126 Männer wurden über die Beziehung zu ihren Eltern befragt. 35 Jahre später wurde die aktuelle Situation der damaligen Teilnehmer medizinisch und psychologisch ausgewertet. 91 Prozent der Männer, die als Studenten angegeben hatten, die Beziehung zu ihrer Mutter sei schlecht gewesen, litten um ihre Lebensmitte herum an ernsten Erkrankungen wie Bluthochdruck, Zwölffingerdarmgeschwür oder Alkoholismus. 45 Prozent waren es bei jenen Teilnehmern, die ihre Beziehung zur Mutter als warmherzig bezeichnet hatten.

Leichter ums Herz Bei einer Reihe von weiteren Studien, die der amerikanische Wissenschafter zitiert, stellte sich heraus, daß gute Beziehungen zu Verwandten, Freunden, Mitgliedschaften bei Gemeinschaften, Kirchen und die Zugehörigkeit zu einer Gruppe sich unter Umständen noch positiver auf den Heilungsprozeß auswirken können als starke Medikamente alleine. Dennoch betont der Mediziner, daß er unter "Heilung" nicht unbedingt das Kurieren der körperlichen Krankheit versteht, obwohl er mit seiner "revolutionären Therapie" durchaus auch schon körperliche Krankheiten geheilt hat.

Ornish geht es aber um mehr: "Heilung bedeutet, daß Ihnen leichter ums Herz wird. Sie werden friedvoller, erleben ein Gefühl der Verbundenheit und können eine stärkere Verbindung zu Ihrer Seele aufbauen."

Für viele Menschen bedeutet die Diagnose einer lebensbedrohenden Krankheit einen Wendepunkt. Werte wie Erfolg, Geld, Macht, Ruhm und Reichtum, die früher so wichtig waren, verlieren plötzlich an Bedeutung. Statt dessen ist es den kranken Menschen nun umso wichtiger, die Nähe von geliebten Menschen zu spüren. In seinen Gruppensitzungen, die ein bedeutender Teil im Therapieansatz des amerikanischen Kardiologen sind, versucht Ornish "eine wohlmeinende Gemeinschaft von Menschen zu schaffen, die sich verpflichten, Einsamkeit und Isolation zu heilen." Einsamkeit und Isolation - darin sieht Dean Ornish die schlimmsten Krankheiten der modernen Zivilisation, die der Nährboden für andere Erkrankungen sein können. Und sehr kritisch steht er zur Lebenskultur in den westlichen Industriestaaten, die Einsamkeit und Isolation geradezu fördern: "Die Annahme, daß Frieden, Freude und Wohlgefühl von außen kommen, wird in unserer Kultur vielfach verstärkt. Die Werbeindustrie basiert auf dieser Vorstellung... Viel Leid (beginnt) mit der falschen Vorstellung, daß Glück und Frieden von außen kommen... Bis die Betroffenen das Gewünschte - Geld, Schönheit, Erfolg und so weiter - bekommen, haben sie nur die Sorge, es tatsächlich zu erlangen."

Seine eigenen Erfahrungen, Exkurse in die Aussagen der Weltreligionen und die Schilderung von Gruppentherapiegesprächen runden das Buch ab und lassen die Therapie des Arztes und mehrfachen Bestsellerautors als das erscheinen, was sie sein will: Die Chance, eine ganzheitliche Heilung zu erfahren. Dean Ornish ist Arzt geworden, um Menschen zu helfen. Er sagt es selbst und so muß es sein, denn der Wunsch zu heilen spricht aus seinem ganzen Buch, das ist - trotz der stellenweise nicht ganz hundertprozentig geglückten Übersetzung - eindeutig.

Die revolutionäre Therapie: Heilen mit Liebe. Schwere Krankheiten ohne Medikamente überwinden. Von Dean Ornish. Aus dem Amerikanischen. Von Beate Gorma. Mosaik Verlag, München 1999 336 Seiten, öS 291,- /e 21,15,

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