Adam und Eva im Textfeld experimenteller Literatur

19451960198020002020

Kommunikationslos in der Kommunikationsgesellschaft.

19451960198020002020

Kommunikationslos in der Kommunikationsgesellschaft.

Werbung
Werbung
Werbung

Adam und Eva realisieren Varianten problematischer Beziehungen parallel zum paradoxen Alltag einer Mediengesellschaft: Herbert J. Wimmers neuer Roman "das offene schloss" kreist um das Thema Kommunikation - und um deren Scheitern.

In zweimal 77 Textfeldern zu je 77 Zeilen voll sprachlicher Experimente und Doppeldeutigkeiten führt Wimmer den Leser in eine Gedankenwelt, die alles beim Wort nimmt und so - darin Elfriede Jelinek verwandt - versucht, den Dingen auf den Bedeutungs-Grund zu gehen. Auf Groß- und Kleinschreibung sowie auf Satzzeichen jeglicher Art wurde verzichtet, was dem Leser eine gewisse Rhythmus- und damit auch Interpretationsfreiheit läßt.

Getragen von prinzipiellem Skeptizismus und in Anspielung auf Kafkas berühmten Schloß-Roman legt Wimmer Widersprüche unseres täglichen Lebens frei, zeigt der Kommunikationsgesellschaft ihre Unfähigkeit, zu kommunizieren. Das geschieht auf zwei Ebenen, einerseits auf der Mikroebene der kleinsten möglichen Einheit zwischenmenschlicher Beziehung, der Partnerschaft zu zweit, symbolisch dargestellt durch Adam und Eva beziehungsweise Freund und Freundin, und andererseits auf der Makroebene unpersönlicher allgemeiner zivilisatorischer Vorgänge.

Die beiden Erzählstränge des Romans - um nicht zu sagen: Handlungsstränge, denn von einer Handlung im traditionellen Sinn kann nicht die Rede sein - laufen nebeneinander, wechseln einander ab; jedes Textfeld ist wie eine Momentaufnahme, ein Steinchen im Mosaik des Romans.

Schon der Titel weist auf Paradoxie und Mehrdeutigkeit hin. "das offene schloss": wird hier etwas Offenes geschlossen, oder handelt es sich um ein Schloß im Sinne einer Burg oder den Arbeitsbereich eines Schlossers, oder sollte, wohl am ehesten, von allem etwas mitgemeint sein und alles zusammen ein weiteres Symbol für Mehrdeutigkeit, Nicht-Festlegbarkeit, Dialektik? Jedenfalls läßt der Roman trotz formaler Geschlossenheit einiges offen. Herbert Wimmer, geboren 1951 in Melk, lebt seit seinem 20. Lebensjahr in Wien, studierte an verschiedenen Instituten der Universität Wien, arbeitet derzeit unter anderem an seiner Dissertation und trat bereits mit mehreren Romanen ("innere Stadt", "die flache kugel", "unsichtbare filme") sowie wissenschaftlichen Publikationen hervor. 1996 fungierte er als Herausgeber des Bandes "Strukturen erzählen. Die Moderne der Texte", in dem Aspekte der Gegenwartsliteratur erörtert wurden und moderne Autoren ebenso zu Wort kamen wie Universitätsprofessoren und junge Wissenschaftler.

Das offene Schloss - Ambivalenz Roman von Herbert j. Wimmer, Nachwort von Burghart Schmidt, Sonderzahl Verlag, Wien 1998, 324 Seiten, geb., öS 298,

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung