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Der diesjährige steirische herbst widmet sich dem virtuosen Schwindeln und Tricksen in vielen Facetten: Von der Begabung abzulenken bis zur fulminanten Könnerschaft. Wer hier wen (be)spielt, ist nicht leicht zu beantworten.

Der steirische herbst nahm am letzten Wochenende seine Tätigkeit wieder auf. Für die kommenden vier Wochen will er, trotz der Wahlschlacht, die die Kultur vollkommen ignoriert hat, zur Stadt gehören, mitspielen und Diskurse anführen. Das diesjährige Generalthema #Meister, Trickster, Bricoleure # Virtuosität als Strategie für Kunst und Überleben# erweist sich dabei als geschickter Anfangszug.

Wie modern man dabei im herbst-Büro denkt, zeigt sich daran, dass das virtuose #Jonglieren mit disparaten Anforderungen# im kunstfernen Alltag ebenso zur Sprache kommt wie zeitgenössische Kunstformen, die den Begriff der Virtuosität auf je ihre Weise auf die Spitze treiben. Die steirischen herbst-Experten und -Virtuosen bewegen sich dabei nicht nur im Theater, in Ausstellungshallen und auf der Tanz- und Performancebühne, sondern auch im öffentlichen Raum.

Eindeutig mehrdeutig

So bespielt der herbst mit der von Sabine Breitwieser (s. S. 21) kuratierten Schau #Utopie und Monument# den Stadtraum und fragt nach der Gültigkeit von Kunst an einem Ort, der von Handel und Kommerz durchtränkt ist. Manche der zwölf Positionen müssen sich heuer auch mit der neuen Designeuphorie der Grazer konfrontieren, die sich ja bekanntlich seit Sommer 2009 um den Titel #City of Design# bei der UNESCO beworben haben. So teilen sich zwei Rollstuhlvitrinen der deutschen Künstlerin Isa Genzken den Platz vor der barocken Mariahilferkirche mit einigen angeketteten schwarzen Designerbänken. Die Frage nach Bewegungsfreiheit gewinnt dadurch an Mehrdeutigkeit. Unangenehm eindeutig dagegen der Interventionsgestus des amerikanischen Künstlers John Knight. Er ließ einige Fahnenmasten, die für Werbezwecke entlang der zentralen Einkaufsstraße stehen, abflaggen und verspricht uns damit lange Tage der Freizeit. Diese allerdings verbringt man in nächster Zeit besser im Festivalzentrum, welches auch heuer wieder an einem neuen Ort beheimatet ist. Diesmal hat das junge österreichische Architekturkollektiv feld72 dem Forum Stadtpark aus 2000 hochgestapelten Europaletten eine Freiluftbühne angebastelt. Das um virtuose Ausfaltungen erweiterte Forum wird demnächst auch ein von der deutschen Künstlergruppe #geheimagentur# eingefädeltes #Casino of Tricks# beherbergen. Altersgrenze wird es keine geben, für den Eintritt genügt die Beherrschung eines Tricks. Profischwindler und Hobbyschummler mit Zylinder und Karten sind also willkommen!

Metamaschine

Was aber geschieht, wenn die Hilfsmittel der Virtuosität ein Eigenleben gewinnen, zeigte die große Eröffnungsproduktion #Maschinenhalle #1#, die in der Helmut-List-Halle uraufgeführt wurde. Raum, Menschen und Maschinen verschmolzen für eine Stunde zu einer Art #Metamaschine#, deren Ineinandergreifen durch einen festgeschriebenen Regelkanon einem dramaturgischen Ablauf folgte. Dadurch entstand so etwas wie eine spartenübergreifende Komposition, die von Choreografin Christine Gaigg, Komponist Bernhard Lang und Computermusiker Wilfried Ritsch in einem Raum- und Lichtkonzept von Philipp Harnoncourt in einem gemeinsamen Prozess entwickelt wurde.

Rückkoppelungsprozess

Zwölf Tänzerinnen und Tänzer bewegten sich auf je zwölf metallenen Klangplatten wie auf einer riesigen Tastatur, die mit je einem Automatenklavier verbunden waren. Die von den Schritten der Tänzer angeregten Klangplatten ließen nicht nur ein unmittelbares percussionähnliches Geräusch entstehen, sondern wurden auch als Impulse zugleich in ein Computerprogramm übertragen, von diesem transformiert und in die Automatenklaviere mit ihren weit über das menschliche Maß hinausgehenden Möglichkeiten eingespeist. Was dann erklang, wurde wiederum in einem Art Rückkoppelungsprozess durch die sich bewegenden Menschen interpretiert. Die Tänzer wurden so zu virtuosen Instrumentalisten, zur lebendigen Partitur und zu bizarren Regelwerkperformern eines #mechanischen Balletts# in einer künstlerisch gelungenen herbst-Eröffnung. Auch wenn für die wandelnden Hallenbesucher in der Schwebe blieb, wer oder was hier von wem oder was letztlich gespielt wurde.

steirischer herbst

bis 17. Oktober 2010

www.steirischerherbst.at

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