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In der Nähe der Piazza Navona...

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In der Nähe der Piazza Navona, in der Via della Pace, in einem entzückenden stillen Winkel Roms, liegt die deutsche Nationalstiftung Santa Maria dell'Anima. Kaum ein Pilger aus Oesterreich und Deutschland wird versäumen, der Kirche dieser Stiftung, in der den letzte deutsche Papst, Hadrian VI., begraben liegt, einen Besuch abzustatten.

In der Mitte des 14. Jahrhunderts wurde diese Stiftung von einem frommen Ehepaar aus Dordrecht in Holland als Hospiz für deutsche Pilger in Rom ins Leben gerufen. Viele Stiftungen von berühmten und völlig unbekannten Wohltätern schlössen sich an. Im Lauf der Zeit wurde die Stiftung immer mehr italienisiert. In der späten ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bemühte sich die Habsburgermonarchie, diese Stiftung wieder für das deutsche Volk aktiv werden zu lassen. Diese Bemühung stützte sich auf die Tatsache, daß der österreichische Kaiser die Tradition des römischen Kaisertums und deutschen Königtums fortsetzte. Wie Franz I. von Österreich die alten Reichsfarben und das alte Reichswapjen^ übernahm, so beanspruchte er .auch die' bisher immer* von “den römischen Kaisern ausgeübte Patronanz über die deutsche Nationalstiftung in Rom. Nach längeren Verhandlungen hatten die Bemühungen der Habsburgermonarchie vollen Erfolg, und 1859 wurde seitens der Kurie der ursprüngliche Zweck der Anima als deutsche Nationalstiftung bestätigt. Doch der ursprüngliche Zweck der Anima als Pilgerhospiz wurde jetzt erweitert. Der Anima wurde ein Priesterkolleg angegliedert, in dem Priester aus allen deutschen Diözesen, die in Rom nach ihrer Priesterweihe studieren wollten, eine Unterkunft gewährt wurde. Im Laufe der Jahrzehnte seit 1859 erfüllt die Anima noch einen dritten Zweck: Der Rektor ist seither der Agent fast aller deutschen Bischöfe an der Kurie.

Josef Lenzenweger, aus der jungen Generation der österreichischen Historiker, legt mit dem Buch über die Anima ein neues Werk seiner geschichtlichen Forschungen vor. Es schildert die Geschichte der ersten Gründung und besonders ausführlich die Geschichte der zweiten Gründung. Ein Kapitel österreichischer Vergangenheit wird hiermit wieder lebendig, und dem Verfasser und Verlag ist der besondere Dank auszusprechen für die Tat, mit der sie diese Lücke geschlossen haben. Eine Reihe von guten Abbildungen, ein sehr guter Anmerkungsapparat so wie ein Verzeichnis aller Priester, die von 1859 bis 1959 die Anima besuchten (es finden sich eine Reihe von glanzvollen Namen darunter) ergänzen die wertvolle Darstellung.

Auf zwei Fehler sei nur hingewiesen, die dem Verfasser unterliefen und die in einer Neuauflage leicht beseitigt werden können. Auf Seite 26 wird berichtet, daß in der Zeit von 1448 bis 1514 eine Reihe Bischofskonsekrationen in der : Anima stattfanden, darunter auch die Konsekration eines Bischofs Lyon- Leitmerit-Dies .ist nicht gut möglich da die Diözese' Leitmeritz erst Mitte des 17. Jahrr hunderts gegründet wurde. Auf Seite 29 wird wieder von der Niederlegung des „deutschen Kaisertitels“ Franz II. gesprochen. Dies ist ein Fehler, der scheinbar in der Geschichtsforschung unausrottbar ist, obwohl es doch langsam bekannt sein müßte, daß „deutsche Kaiser“ nur Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II. waren. Alle Kaiser von Otto I. bis Franz II. waren Römische Kaiser, und noch in der berühmten Urkunde von 1806, mit der Franz II. seine Römische Kaiserwürde niederlegt, bezeichnet er sich als Römischer und nicht als deutscher Kaiser.

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