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Der rechte Mann, die rechte Stunde

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Daß der niederländische Reichsbürger Hadrian VI. der letzte nichtitalienische Papst der bisherigen Kirchengeschichte war, lernt man schon im Religionsunterricht der Oberstufe. Daß er 1523 schon nach wenig mehr als einem Jahr der Regierung, teils am ungewohnten römischen Klima, teils aus Gram über die ihm hoffnungslos scheinende Lage an der damaligen römischen Kurie starb, erfuhren nur die Studenten der Geschichte. Und daß er seinen Legaten damit beauftragte, die Auseinandersetzung mit den zur Reformation drängenden Deutschen durch ein ungemein rückhaltloses Einbe-kenntnis der bisherigen Verschuldungen der Kirchenregierung einzuleiten, wissen fast nur die Kirchenhistoriker.

Der deutschsprachige Rompilger aber, der die Nationalkirche der „Anima“ besucht, wird wohl bestimmt schon vor seinem Grabmonument in der Nähe des Hochaltars gestanden sein, das den Sinnspruch trägt über den „Schmerz, den es bedeutet, wenn der beste Mann zur unrechten Zeit leben müsse..

Als der hochragende, die dozierende Gründlichkeit eines deutschen Professors mit den formvollendeten Herrenbewegungen des zum Römer Gewordenen vereinende Kardinal Bea für eine knapp bemessene Stunde in der Aula der Wiener Universität über das kommende Konzil sprach, da war es, als ob der Geist des heute fast vergessenen „deutschen“ Papstes gegenwärtig gewesen wäre. Wir leben mehr als vier Jahrhunderte nach diesem Kreuzweg der christlichen Geschichte, hinter den wir trotz allen Bemühens nicht mehr zurück können. Was auf die damalige Schulderklärung, auf diesen Akt brüderlicher Demut des Petrus-Nachfolgers folgte, war eine endlose Kette von Mißverständnissen, Schuld und Gegenschuld. Auch das Konzil von Trient, das ja nicht zu jener Kirchenversammlung wurde, die dem Kaiser und seinen humanistischen Ratgebern vorschwebte, konnte die Einheit nicht wieder schaffen. Der gelehrte und väterliche deutsche Kardinal führte am Ende seiner ebenso nüchternen wie im Entgegenkommen an die andere Meinung sachlich kühnen Darlegung die Zuhörer noch einmal an jenen Punkt der Geschichte zurück, an dem es anders hätte kommen können ...

Aber er schloß nicht im Ton der resignierten Grabschrift, die die wenigen treuen Freunde und Landsleute des sechsten Hadrian ihrem Papst — weniger christlich als antik-stoisch — verfaßt hatten, sondern mit dem schlichten Gottvertrauen des weise und in Demut zum Greise gewordenen Priesters und Beters dieser unserer Tage.

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