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Eine Künstlerfreundschaft

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Der jüngeren Generation von heute mag aus eigenem Erleben kaum begreiflich sein, was Kienzl wie auch Rosegger vor 30, 40 Jahren der Welt bedeutet haben. Beide waren nach Temperament und Schicksal Sonnenkinder, auch in dem Sinne, daß es ihnen gegönnt war, schon früh in Vaterland und Fremde reichen Widerhall zu finden. „Wie sich Verdienst und Glück verketten“, das sollten gerade die Esoteriker des heutigen Kunstschaffens bisweilen bedenken. Mit Recht sagt Kienzl: „Man bezeichnet mich seit Jahren als .volkstümlichen Künstler“. Ich habe das nie als eine Herabsetzung empfunden, sondern stets für einen Ehrentitel gehalten, indem ich streng zwischen Volks- und Pöbelmusik unterschied.“ Aehn-liches hätte mit gleichem Recht Rosegger auf seinem Gebiet von sich rühmen können. Um beide ist es seit längerem still geworden — ihre unmittelbare Wirkung ist fast erschöpft, die Distanz zu ihrer historischen Würdigung noch nicht recht gewonnen.

Das eben erschienene Buch, das der Präsident der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst herausgibt, bringt die beiden liebenswerten Meister, die Wesentliches zum Kulturbild ihrer Zeit beigetragen haben, der Oeffentlichkeit wieder menschlich nahe. In sorgsamer Auswahl und übersichtlicher Anordnung bietet es Kienzls Autobiographie, die zugleich vielfache Aspekte auf das

österreichische und deutsche Kunstleben jener Jahre eröffnet und eine Reihe bedeutender Gestalten von Wagner bis Strauß lebendig werden läßt. Der zweite Hauptteil des Werkes, eine Auswahl aus dem Jahrzehnte umspannenden Briefwechsel Kienzl-Rosegger, führt tiefer in die innere Welt; bei aller Verschiedenheit des Alters, des Naturells und des Kunstgebietes war es eine tiefe seelische Verwandtschaft, die beide verband: die echt österreichische, Humor und Weisheit vereinende Wesensart, die Echtheit und Wahrheit der Kunst- und Lebensgesinnung, Schlichtheit und männliche Offenheit, nicht zuletzt bekennende Einsicht in die Grenzen ihrer Begabung — so, wenn Kienzl einmal scherzend von sich sagt, er sitze „auf angenehmer und leicht zugänglicher Halbhöhe des Parnasses“. Diese hier zum erstenmal veröffentlichten freundschaftlichen Vertraulichkeiten sind in burschikosem Scherz wie im unbeirrbaren Ernst der ethischen Forderung, des Gottsuchens ungemein aufschlußreich und fesselnd. Eine die letzten Lebensjahre Kienzls behandelnde biographische Ergänzung durch den Herausgeber sowie seine Einleitungen und Anmerkungen, ein umfassendes Verzeichnis der Werke Kienzls, ein Brief- und ein Namenregister erhöhen den Wert des mit vielen Bildern ausgestatteten Bandes. Im ganzen: eine erfreuliche Bereicherung unserer Musikliteratur.

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