Naschen bei den Großen

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Was hierzulande für die Pharmaforschung ausgeben wird, ist mager. Daß aber erstklassige Forschung möglich ist, zeigen private Unternehmen.

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Was hierzulande für die Pharmaforschung ausgeben wird, ist mager. Daß aber erstklassige Forschung möglich ist, zeigen private Unternehmen.

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Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung pharmazeutischer Produkte in Österreich gehören zwar im europäischen Vergleich zum unteren Ende der Skala (siehe Grafik), was hierzulande entwickelt wird, hat aber zumeist Weltruf. Kleine, forschungsintensive Unternehmen, typisch für die USA, gibt es in Österreich so gut wie nicht.

Im wesentlichen wird Forschung durch internationale Pharma-Unternehmen wie Baxter-Immuno, Novartis und Boehringer Ingelheim finanziert. Fast alle Institute, die sich mit biomedizinisch-pharmazeutischer Forschung beschäftigen, befinden sich in Wien. Die Ausnahme ist n die Biochemie Kundl in Tirol. Sie gehört heute zum Basler Pharma-Konzern Novartis. Kundl ist eine der führenden Biotechnologie-Unternehmen Österreichs und mit rund 1.900 Beschäftigten ein wichtiger Arbeitgeber der Region. Rund 270 Mitarbeiter sind in der Forschung und Entwicklung tätig. Der Umsatz belief sich 1997 auf etwa acht Milliarden Schilling, 500 Millionen wurden in die Forschung und Entwicklung gesteckt. Kundl liefert Arzneimittel und Wirkstoffe in über 120 Länder.

Die Biochemie Kundl hat im Jahre 1946 klein begonnen. Die Österreichische Brau AG gründete den Betrieb mit dem Auftrag, das dringend für die Bevölkerung benötigte aber nur beschränkt verfügbare Penicillin herzustellen. Aus Geldmangel bauten die Ingenieure in Tirol aus Raketenbehältern, Panzermotoren, Teilen von U-Booten und einem zerbombten Kaffehaus in Innsbruck die Geräte für die erste Penicillinproduktion. Der rasante Aufstieg zu einem weltweit anerkannten Unternehmen liest sich wie die Geschichte des reichen Onkels aus Amerika: Bereits fünf Jahre nach der Gründung entdeckten die Kundler Forscher Ernst Brandl und Hans Margreiter ein säurebeständiges Penicillin.

Die Weltsensation war perfekt, denn dadurch wurde das Penicillin nicht durch die Magensäure zersetzt und konnte erstmals als Tablette oder Sirup eingenommen werden. Der Siegeszug von Antibiotika begann, und bis heute gilt die Biochemie als Spezialist auf diesem Gebiet.

Das Kundler Werk deckt ein Drittel des Weltbedarfes an oralem Penicillin. Aber auch andere Antibiotika zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten wurden in Kundl entwickelt. Bekannt sind die sogenannten Beta-Lactam-Antibiotika, auf diesem Sektor zählt die Biochemie ebenfalls zu den wichtigsten Herstellern der Welt. "Wir haben international den Ruf, daß wir Antibiotika hervorragend herstellen können und dafür eine dominante Technologie haben. Wir beliefern auch renommierte Weltfirmen mit unseren Zwischenprodukten", berichtet Professor Ernst Leitner von der Biochemie.

Neben Antibiotika stellen die Kundler den bekannten Wirkstoff Cyclosporin A her, der Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen verhindert. Kundl gilt aber in erster Linie als Fermentationszentrum für den Novartis-Konzern. Medizinische Grundlagenforschung, so Leitner, wird heute kaum noch betrieben.

* Novartis entstand 1996 durch die Fusion der beiden Pharma-Konzerne Sandoz und Ciba-Geigy. Er ist mit über 250 Milliarden Schilling Umsatz und weltweit rund 87.000 Mitarbeitern ein Gigant der Pharma-Branche. Eines der sieben Forschungszentren des Konzerns steht in Wien, das Novartis Forschungsinstitut mit rund 270 Mitarbeitern und einem Forschungsetat von derzeit 450 Millionen Schilling. Es wurde 1970 mit dem Schwerpunkt auf Infektionskrankheiten gegründet, hat sich aber seit drei Jahren auf die Erforschung von Allergien und entzündlichen Hautkrankheiten spezialisiert. Professor Anton Stütz, Leiter der Chemie und Pharmakologie beim Novartis Forschungszentrum: "In unserem Institut ist es gelungen, ein vollkommen neues Prinzip zur Behandlung von Pilzinfektionen der Haut, Haare und Nägel zu entwickeln. Nach zwei Jahrzehnten Forschung und Entwicklung haben wir nun ein Produkt, das international das beste auf diesem Gebiet ist. Da spielen wir führend in der Weltliga mit."

Im Endstadium der klinischen Prüfung sind Wirkstoffe gegen Neurodermitis und Schuppenflechte. "Auch hier haben wir ein völlig neues Prinzip gefunden. Es hat das Potential, die herkömmlichen Medikamente zu ersetzen. Das wird international anerkannt, respektiert und zählt zu den führenden Beiträgen", so Stütz.

* Die Immuno wurde Ende 1996 von der amerikanischen Unternehmensgruppe Baxter übernommen. Immuno und ihre Produktionsstätte, das Österreichische Institut für Hämoderivate (Blutderivate), können pro Jahr mit einem Umsatz von über fünf Milliarden Schilling aufwarten. Etwa 15 Prozent davon werden in die Forschung und Entwicklung gesteckt. Der Betrieb beschäftigt rund 3.500 Mitarbeiter und ist für die Herstellung von Impfstoffen, Blut- und Plasmaprodukten bekannt. Das wohl prominenteste Produkt des Hauses ist der FSME-Impfstoff gegen die von Zecken übertragene Gehirnhautentzündung.

"Vor allem auf dem Gebiet der biotechnologischen Entwicklungen neuer Medikamente für chronisch Kranke sind Baxter-Immuno-Forscher federführend an Projekten beteiligt, denen im Konzern weltweit höchste Priorität zukommt", hebt Thomas Glanzmann, Vorstand der Immuno, die Bedeutung des Standortes Österreich hervor. "Unsere Wissenschafter arbeiten an der Neu- beziehungsweise Weiterentwicklung von therapeutischen Proteinen. Wichtige Indikationsgebiete sind schwerste Störungen der Blutgerinnung und des Immunsystems. Ein großer Teil unserer Forschung betrifft die Entwicklung neuer und die Weiterentwicklung vorhandener Impfstoffe, auch hier unter Einsatz von bio- und gentechnologischen Methoden."

* Bender Wien mit über 500 Mitarbeitern und einem Umsatz von 800 Millionen Schilling ist ein Tochterunternehmen des deutschen Unternehmensverbandes Boehringer Ingelheim. Der Konzern setzte mit Bender und der Übernahme (1993) des Instituts für Molekulare Pathologie (I.M.P.), das erst vor zehn Jahren gegründet wurde und bereits weltweite Anerkennung genießt, einen Forschungsschwerpunkt in Wien.

"Die Bender-Forschung arbeitet an der Entwicklung von Wirkstoffen für die Krebstherapie", berichtet Professor Peter Swetly von der regen Forschungstätigkeit. "Medikamente werden auf Basis neuer genetischer Erkenntnisse über die molekularen Ursachen der Krebsentstehung entwickelt und schließen Ansätze zur Gen- und Immuntherapie von Tumoren ein."

Bekannt ist Bender für die Erfoschung des schwarzen Hautkrebses. Dieses Wiener Tumorvakzine-Projekt wird gemeinsam mit dem I.M.P. und der Wiener Universitätsklinik durchgeführt. Es hat zum Ziel, einen Impfstoff zur Therapie von Hautkrebs zu entwickeln, der Metastasen aufspüren und vernichten soll.

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