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ALEXANDER AUER / BRÜCKENSCHLAG ZUR GEISTESWELT

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Ein in den Farben Weiß und Gold gehaltenes Rokokozimmer im Amalientrakt der Wiener Hofburg. An der Wand nur zwei Bilder: der junge Kaiser Franz Joseph und die jugendlich-strahlende Elisabeth von Bayern. Der Blick durchs Fenster fällt auf das traditionsreiche Gebäude der mariatheresianischen Staatskanzlei, das Bundeskanzleramt und Außenministerium der Republik. Ein einfacher Schreibtisch — ebenso wie die Fensternische bedeckt mit Akten, Zeitungen und Zeitschriften. Am Schreibtisch sitzt seit Anfang dieses Jahres der Leiter der Abteilung für kulturelle Angelegenheiten auf bilateraler Basis, Alexander Auer.

Der gebürtige Wiener Auer — im Dezember 1915 erblickte er in der vom Krieg bereits gezeichneten Donaustadt das Licht der Welt — verbrachte seine ersten Lebensjahre in der damals noch jungen Tschechoslowakischen Republik und besuchte das Gymnasium des nur durch die heftigen Debatten über die Sprachenfrage am dortigen Kreisgericht in die Geschichte der Habsburgermonarchie eingegangenen Städtchens Trautenau.

Abgeschlossen wurden die Gymnasialstudien allerdings in Mödling, wo neben dem Verlagsleiter des Hauses „Herold“ auch der Schriftsteller Fritz Habeck zu seinen Mitschülern zählte. „Sonst hatten wir keinerlei Prominenz aufzuweisen“, erinnert sich Auer. „Wir waren eine schwarze Schule mit braunen Schülern“, ist die knappe Zusammenfassung jener Jahre, in denen sich ein tiefer Riß durch die Jugend unseres Landes zog, ein Riß, dessen abgründige Tiefe dem jungen Studenten Auer — der neben den heute in führenden Positionen tätigen Studeten Leitner, Bielka und Hoor aktiv in der Paneuropa-Bewegung tätig war — auf dem heißen Boden der Wiener Universität noch deutlicher wurde.

Im Herbst 1938 geht er schließlich für längere Zeit ins Ausland: nach Jugoslawien, Italien und Frankreich. September 1939: Der Krieg bricht aus. Alexander Auer ist gerade in Wien. Für Flucht

ist es zu spät, die Falle ist zugeklappt. Nach dem Attentat auf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller wird Auer verhaftet und in Schutzhaft genommen. Die Gestapo benützt den Vorwand, um einen großen Schlag gegen die bürgerliche Opposition zu führen. Ein Vorwurf ist rasch zur Hand: Die Weitergabe und Vervielfältigung englischer Nachrichten und die Tatsache, jüdischen Mitbürgern geholfen zu haben, bringen Alexander Auer zwei Jahre Untersuchungshaft ein.

Im Herbst 1941 wird er überraschend entlassen und zum Dienst in die Wehrmacht einberufen. „Ich war nach den zwei Jahren Haft nicht gerade kraftstrotzend“, schildert Auer heute trocken den elenden Zustand, in dem er sich damals befunden hat. Dies bewahrte ihn freilich davor, an der Front Dienst mit der Waffe tun zu müssen. Am 8. Mai 1945 schließlich wird der Sanitätssoldat Auer von der Kapitulation überrascht und gerät für einige Wochen in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

Nach der Entlassung gelingt es ihm, sich nach Wien durchzuschlagen. In ein zerstörtes, hungerndes Wien. In ein Wien, in dem man aber auch mit vollen Kräften — soweit man die damals eben hatte — daran ging, die Zukunft aufzubauen, Kontakt zu gewinnen mit der geistigen Welt, von der man sieben allzulange

Jahre ausgeschlossen war: Im Sommer 1945 war das Europäische Forum Alpbach gegründet worden, im Frühjahr 1946 das österreichische College, zu dessen Proponenten Auer zählte.

Aus der Besatzungssituation ergaben sich zwei kulturelle Schwerpunkte: Wien und Alpbach. Vierzehn Jahre lang saß Alexander Auer als Generalsekretär am Steuer dieser Institution; schließlich wurde er als Nachfolger Otto Moldens 1960 deren Präsident. Auf den ihm unterdessen von Unterrichtsminister Drimmel angebotenen Leiterposten des österreichischen Kulturinstituts in Warschau verzichtete Auer: „Ich konnte doch nach dem Abgang Moldens das College nicht allein lassen!“

Die überaus rege und aktive Teilnahme Alexander Auers am europäischen Kulturleben — etioa als Generalsekretär des „Instituts zur Förderung der Künste in Österreich“ oder als Mitglied der von Denis de Rougemont ins Leben gerufenen „Europäischen Kulturstiftung“, die dem Europarat nahesteht — lassen ihn für den Sessel des Leiters der Kulturabteilung im Außenministerium — den ihm Außenminister Kreisky Anfang 1964 angeboten hatte — vorzüglich geeignet scheinen. Der richtige Mann am richtigen Platz: Nicht immer macht man in Österreich von dieser einfachen Lösung personeller Schwierigkeiten Gebrauch.

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